Ein Mensch, der sich für modern hält, der beweisen möchte, dass er keine Probleme damit hat, sich dieser ungemein schnellen Welt anzupassen, der ist natürlich auch bereit, in seiner Freizeit diverse Sportarten zu versuchen, welche allgemein mit dem Attribut "Risikosportart" bezeichnet werden. Fallschirmspringen, Bungeejumping, Rafting, Paragliding, etc. Allen gemein ist die Tatsache, dass sie ein signifikant höheres Unfallrisiko beinhalten, als andere, vergleichsweise harmlose Sportarten.

Der moderne Mensch, bzw. derjenige, der sich dafür hält; ist ja bekanntlich immer auf der Suche nach dem ultimativen Kick. Adrenalin und andere körpereigene Drogen sollen ihn überfluten und ein Glücksgefühl im Idealfall konservieren. Abenteuerurlaub in den unwirtlichsten Gegenden der Welt und Bergbesteigungen von in Klettern unerfahrenen und konditionell darauf nicht vorbereiteten Menschen gehören schon fast zur Normalanforderung einer Urlaubsbuchung. Ganze Geschäftszweige haben sich diesem Freizeitboom angepasst und schicken jährlich immer mehr Menschen in das vermeintlich sichere Abenteuer.

Doch was soll das sein, ein sicheres Abenteuer? Besteht nicht schon in dieser Wortkombination ein Wiederspruch in sich selber? Durch was zeichnet sich ein Erlebnis aus, das man als Abenteuer beschreiben kann? Zum einen ist es das wiederholte Auftreten von nicht geplanten Vorgängen. Ein Individuum erlebt ein Abenteuer, wenn seine Lebensabläufe nicht mehr so sind, wie er es gewohnt ist. Das hereinbrechen des Außergewöhnlichen in sein Leben, die Forderung mit neuen Situationen fertig zu werden, bisher ungeahnte Probleme zu lösen und, im schlimmsten Fall, sein Leben einzusetzen. All dies ist ein kleiner Auschnitt aus dem, was ein individuelles Abenteuer sein kann.

Um es auf einen Nenner zu bringen: Das Abenteuer kann nicht organisiert werden. Es ist vielmehr der Einbruch des unerwarteten in unser Dasein. Für wenige spasshaft, für die meisten Lebensbedrohlich und, leider, für einzelne tötlich. Hier liegt der Wiederspruch in denen von der Freizeitindustrie angebotenen sog. Abenteuerreisen.

Es ist ja eine inzwischen allseits akzeptierte Tatsache, das unser modernes Leben sich nicht zuletzt dadurch auszeichnet, das sein normaler Verlauf alles andere als aufregend ist. Da der Mensch jedoch danach strebt, sich auf die eine oder andere Weise von seinen Zeitgenossen zu unterscheiden, müssen, da ausgefallene Kleidung im wahrsten Sinn keinen Hund mehr hinter dem Ofen vorlockt, Akzente in der Freizeit gesetzt werden. Also führt der nächste Weg ins Reisebüro, um eine organisierte Abenteuerreise zu buchen.

Trekking im Himalaya, aber bitte mit Vollpension und warmem Wasser. Auf den Mount Everest, aber bitte nur bei Sonenschein. Durch die Wüste Gobi? Natürlich nur mit mindestens einem Vollbad pro Tag. Abenteuer mit heimatlichem Komfort, welch ein Wiedersinn. Und doch, dieser Wiedersinn hat Methode. In einer Zeit, welche die Bedeutung des Wortes Gefahr bestenfalls noch aus Film und Fernsehen kennt, in einer Zeit, die durch die Möglichkeit gekennzeichnet ist, sich gegen alles und jedem versichern zu lassen, in dieser Zeit kann es keine Vorstellung mehr davon geben, was es bedeutet, sich in Gefahr zu begeben. Hochglanzprospekte und die Versprechen aus Reisekatalogen lullen den, ach so mündigen und aufgeklärten Bürger ein. Selbstüberschätzung und die Sucht nach dem "andersein" bringen viele Menschen dazu, ihre Fähigkeiten und ihre Belastbarkeit zu überschätzen.

Welche Alternativen bieten sich an, die überschüßigen Energien und das Verlangen nach Selbstbestätigung zu befriedigen. Solidarität ist das Schlagwort. In einer Zeit, in der immer mehr Menschen an der Armutsgrenze leben, in der Alte und Kinder unter Verwahrlosung und Vereinsamung leiden, in der hinter beinahe jeder Ecke eine geschädigte Umwelt lauert, wäre es da nicht sinnvoller seine Kräfte und Ressourcen zur Behebung und Vermeidung dieser Probleme einzusetzen?

Welch eine Verschwendung von Kraft, Geld und Zeit ist zum Beispiel die Besteigung eines Berges? Wieviel besser wäre alles in der zwischenmenschlichen Solidarität investiert. Probleme gibt es genug in unserem Land. Auch durch Hedonismus und dem verschließen der Augen davor, verschwinden sie nicht. Es wäre an der Zeit, Verantwortung für die Gesellschaft zu übernehmen, anstatt seine Kräfte und Fähigkeiten für nutzlose Dinge zu verschwenden.

Ich jedenfalls habe vor jeder Nonne, die sich dazu bereit erklärt Menschen zu pflegen, mehr Respekt, als vor noch so erfolgreichen und berühmten Bergsteigern.