Umschlagfoto, Rolf Stolz, Der Abgrundzauberer, InKulturA "Eines dieser Häuser,wie Sie es besessen hätten, wenn es nach Ihnen gegangen wäre in diesem Leben, oder wie Sie es besessen haben in einem früheren Leben, aber wie kann man da sagen 'Ich in einem früheren Leben', dieser ICH ist doch ein vollständig Fremder, ein unzugänglich Entzogener, ein abgründig anderer." So beginnt eine Erzählung im Buch "Der Abgrundzauberer" von Rolf Stolz.

Es sind diese fremd im Leben Seienden, die, aus welchen Gründen auch immer, Entwurzelten, die verzweifelt darum bemüht sind, so etwas wie Geborgenheit und Nähe zu erlangen, die aber immer wieder enttäuscht werden und denen kein "Erlöser" erscheint und sie mit seiner "Botschaft" befreit, die der Autor zu Wort kommen lässt und deren punktuell wahrgenommene Ausweglosigkeit ihnen immer wieder die Monstrosität des individuellen auf der Strecke bleibens demonstriert.

Es sind einsame Stimmen, die Rolf Stolz in seinem Buch erzählen lässt. Gefangen in "einem fremden Land", das sich direkt der Psyche der Figuren bemächtigt und sie umhertaumeln lässt zwischen Angst vor Verlorenheit und trotzigem Aufbäumen gegen die anonymen Mächte, die über Vergessen und Verortung entscheiden.

Es ist die Sphäre des Phantastischen, die sich mit surrealer Nebelhaftigkeit über die Texte ausbreitet, die den Leser in den Bann zieht. In einer Welt, die selten klar und eindeutig erscheint, ersetzen Schemen und Schatten die sinnstiftende Ordnung und der in diesem Spannungsfeld Gefangene befindet sich permanent am Abgrund menschlichen Scheiterns. Immer wieder sträuben sich die Personen, sei es der Icherzähler oder die nebulösen Gestalten seiner Träume, gegen die scheinbare Realität, die sich jedesmal als Illusion, als Projektion der eigenen Ängste manifestiert.

Rolf Stolz zieht den Leser mit seinen Prosastücken tief hinein in das Verwirr- und Versteckspiel des "Abgrundzauberes", der ungeniert mit dem Kaleidoskop des Traumhaften spielt und in eine Welt führt, die sich permanent in der Schwebe befindet und in der niemand festen Halt findet.

"Der Abgrundzauberer" ist eine Metapher für die verzweifelte Sinnsuche des modernen Menschen, der, längst seiner Mitte beraubt, sich unablässig auf der Suche nach individueller Verortung befindet. Darunter leidend, dass er ein Opfer der gesellschaftlichen Zerrüttung ist, die von den Generationen vor ihm initiiert wurde, empfindet er sich als Ausgestoßener in einer Welt, die zwar mit buntem Tand einen wirren Taumel produziert, hinter dessen Hülle jedoch die Vereinsamung des Einzelnen lauert.

Das Wissen darum, sei es bewußt oder nur als unbestimmte Ahnung eines möglicherweise besseren Lebens, treibt die moderne Seele immer schneller in Richtung Untergang, dessen unmittelbare Nähe sich in vorweg wahrgenommenen Alpträumen manifestiert.

Mit seinem feinen Gespür für diese latenten Ängste hat Rolf Stolz dem modernen Sinnsucher, der, so sollte er verstanden werden, ein sich niemals dem Scheitern Ergebender sein wird, Mut gemacht, sich dem drohenden Zerfall der Gesellschaft entgegenzustemmen.




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Veröffentlicht am 15. März 2014