Buchkritik -- Peter Scholl-Latour -- Afrikanische Totenklage

Umschlagfoto  -- Peter Scholl-Latour  --  Afrikanische Totenklage Seit langer Zeit ist ein Kontinent aus dem Blickfeld der Europäer geraten. Afrika scheint von der Landkarte des mitteleuropäischen Menschen verschwunden zu sein. Der Kontinent taucht allenfalls noch bei kirchlicher Kollekte oder in den Anzeigen von dubiosen Hilfsorganisationen auf. Die politische und wirtschaftliche Entwicklung scheint niemanden mehr zu interessieren. Dieser große, widersprüchliche Erdteil passt so gar nicht in das politisch-korrekte, multi-ethnische Selbstverständnis der politischen Kaste. Die von ihr gleichgeschalteten Medien verschweigen bis auf wenige Ausnahmen die tragische Situation des schwarzen Kontinents.

Niemand will es wahrhaben dass die Gesetze dieses Erdteils gravierend von unserem Verständnis von Demokratie und Menschenrechten abweichen. Tribalismus, blutige ethnische Konflikte, Korruption und Gewalt bestimmen den Alltag. Da es dort nicht gelang die Omnipotenz der westlichen Werte unter Beweis zu stellen, wandte sich der Westen schmollend ab und überlies Afrika seinem Schicksal. Es blieben nur noch die Rohstoffe interessant, für das Schicksal der Millionen Menschen sind anscheinend nur noch päpstliche Gebete zuständig.

Peter Scholl-Latour hat diesen Kontinent wiederholt bereist und ist ein profunder Kenner der politischen und sozialen Verhältnisse. In seinem Buch Afrikanische Totenklage zeigt er eine Bilanz dessen, was seit den Tagen der Unabhängigkeitsbewegungen aus diesem Erdteil geworden ist. Sein Fazit könnte düsterer und pessimistischer nicht ausfallen. Kaum ein afrikanischer Staat kann für die Ernährung seiner Einwohner sorgen, die gesundheitliche Situation ist aufgrund von Aids außer Kontrolle geraten, die Wirtschaftssysteme zusammengebrochen und die politische und gesellschaftliche Zukunft mehr als unsicher.

Das Ende des Kolonialismus brachte zwar die vielbeschworene Freiheit, jedoch auch das damit verbundene Risiko des Scheiterns. Keiner Nation ist es gelungen eine stabile Demokratie zu etablieren. Korruption, Vetternwirtschaft und Plutokratie sind noch die harmlosen Attribute einer Zustandsbeschreibung. Der Reichtum an Rohstoffen ist diesem Erdteil zum Verhängnis geworden. Ausländische Firmen beherrschen diesen Markt und denken natürlich nicht daran, dieses lukrative Gschäft aufzugeben.

Peter Scholl-Latour zeigt wieder einmal mit der ihm eigenen und inzwischen bei Journalisten leider so selten gewordenen Kompetenz die reale Situation. Er nennt Daten und Fakten beim Namen und scheut sich auch nicht unbequeme, weil nicht politisch-korrekte Wahrheiten ans Licht des Tages zu bringen. Nirgendwo sonst hat diese unsägliche Arroganz des Westens, bestehend aus der Unfähigkeit die reale Situation richtig einschätzen zu können, so viel Schaden angerichtet, wie in Schwarzafrika. Gab es im kolonialen System noch eine funktionierende Infrastruktur, wurde sie in den Jahren der Befreiung wieder zerstört. Gab es durchaus gelungene Versuche einiger Befreiungsbewegungen die desolaten Zustände zu verbessern, so wurden sie durch die wirtschaftlichen Interessen von multinationalen Konzernen mit Hilfe von Söldnertruppen zunichte gemacht.

Eines der großen inner-afrikanischen Problemen ist jedoch die tradierte Stammeskultur. Weit davon entfernt einen einheitlichen Staat etablieren zu können, zerfällt ein Land immer in die verschiedenen Stämme. Für das Ausland wurde dies erstmals in dem für europäischen Verhältnisse so grausamen Konflikt zwischen Tutsi- und Hutustämmen in Ruanda richtig deutlich. Für Europäer unvorstellbar, aber leider doch afrikanische Realität. Entwicklungshilfe finanzieller Art wird solange in den Kanälen der Korruption versinken, bis die Industrienationen endlich gelernt haben werden, welche Gesetze in Afrika gelten.

Allzulange war Afrikas Geschick durch Stellvertreterkriege von USA und UdSSR bestimmt. Nach dem Wegfall dieser weltpolitischen Dualität ist Afrika sich selber überlassen geblieben. Genau dieses Machtvakuum haben die global operierenden Konzerne gefüllt. An ihrem Gängelband leidet dieser an Rohstoffen so reiche Kontinent. Es scheint das Schicksal des schwarzen Erdteils zu sein, den reichen Nationen als Rohstoffquelle zu dienen. Es wird jedoch nicht mehr lange dauern, dann werden die Industrienationen auch afrikanischen Terror in ihren Hauptstädten zu erdulden haben. Dieses Buch von Peter-Scholl Latour ist jedenfalls eine realistischere Lektüre als der Entwicklungshilfebericht der Bundesregierung.

Von Peter Scholl-Latour ebenfalls besprochen:

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