Blühende Landschaften? Waren die nicht so etwas wie ein Versprechen, das der damalige Bundeskanzler Helmut Kohl den "neuen Bundesländern" bezüglich ihres ökonomischen Erfolgs nach der Wende suggerierte? Klar, Kohl, der Mann der Stunde, der großen Politik im richtigen Augenblick, hatte natürlich eben das große Ganze im Auge. Doch, so fragten sich wenig später die "Neubürger", also die mit dem stets lokal verwurzelten Bewusstsein, erstaunt, wie bringt man die Provinz auf Vordermann und lässt die Dinge doch am besten so, wie sie waren?
Christhard Läpple hat sich auf die Spurensuche der Wendezeit gemacht, in der die ehemalige DDR ein Eldorado für vornehmlich westdeutsche, würden wir heute nicht sagen Heuschrecken?, gewesen ist. Die einen kaufen Wertvolles, nämlich Grund und Boden, so billig wie selten, die anderen verkauften weniger Wertvolles, nämlich Versicherungspolicen, so zahlreich wie nie.
Es gab aber auch, und damit zum Buch "So viel Anfang war nie", diejenigen, die, so sagt man doch, etwas bewirken wollten, um damit auf ihre Weise die Verheißung des Kanzlers in die Realität umzusetzen. Dass dabei Mentalitäten, Animositäten, Bestehendes und Neues in Konflikt gerieten, ist logisch und der Autor berichtet darüber auf die einzig richtige Weise, er lässt die betroffenen Menschen zu Wort kommen.
In Herzdorf - der googlefindige Leser wird schnell den richtigen Namen herausfinden - will der umtriebige und international erfolgreiche Landschaftsarchitekt Blumental eigentlich nur eine baufällige Kirche sanieren, da packt ihn auch schon das Brandenburgvirus und, so schnell kann es gehen, der Traum von der Rettung des ganzen Dorfes und, man weiß ja nie so genau, vielleicht auch der ganzen Provinz wird geboren.
Doch so einfach ist es mitnichten. Der Mikrokosmos Herzdorf hat da so seine eigenen Spielregeln und Akteure. Erfahrene und gelebte Geschichte prägt diesen Ort und nicht bei allen Einwohnern stößt die von Blumental geplante "Integrierte Ländliche Entwicklung" auf Gegenliebe. Es ist ein Geflecht aus hochfliegenden, nicht immer realistischen Plänen einerseits und das Festhalten am Altbewährten, das für Spannungen und Zerwürfnisse sorgt.
Dabei ist der Architekt und Investor keiner der damals zahlreich auftauchenden Glücksritter, sondern sein Vorhaben ist, zumindest solange es sich im überschaubaren Rahmen bewegt und auf die Bedürfnisse Herzdorfs zugeschnitten, ein Erfolgsmodell. Doch je mehr sich größtenteils "Westler" dafür interessieren, desto distanzierter wird das Verhältnis zu den dort lebenden Menschen, die sich zunehmend als Opfer überheblicher West-Großstädter fühlen.
Christhard Läpple hat den Betroffenen bei seinen Recherchen gut zugehört und vermittelt dem Leser unaufgeregt die Motive und das Handeln seiner Figuren. Das harte Aufeinandertreffen von zwei politisch und wirtschaftlich grundverschiedenen Gesellschaftsmodellen und den daraus resultierenden Mentalitäten und individuellen Zwängen beschreibt der Autor mit ruhiger Diktion und verliert dabei niemals den Respekt gegenüber den porträtierten Menschen. Zeitgeschichte einmal anders.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 3. Februar 2018