Buchkritik -- Steven E. Aschheim -- Nietzsche und die Deutschen

Umschlagfoto  -- Steven E. Aschheim  --  Nietzsche und die Deutschen Friedrich Nietzsche und sein Verhältnis zu den Deutschen, zu ihrer Philosophie und zu ihrer Politik, war seit seinem Tod im Jahr 1900 ein immerwährendes Objekt der Diskussion. Von den meisten, die sich auf ihn beriefen, wurde sein Werk verfälscht, mißbraucht und fehlinterpretiert. Die "...ismen", die seine Philosophie zum Vorbild haben, sind zahlreich.

Mindestens ebenso hoch ist die Zahl deren, die in ihm ein spezifisch deutsches Verhängnis sahen, welches geradewegs in den Nationalsozialismus und in den 2. Weltkrieg führte. Beiden, Apologeten wie auch Nietzschefeinden, liegt der gleiche fundamentale Irrtum zugrunde. Nietzsches Werk machte es für beide Gruppen nicht gerade schwierig, die ihnen passenden Texte zu finden, um sie in die jeweilige eigene Theorie hinein zu interpretieren.

Da Nietzsche alles andere als ein philosophischer Systematiker war, ja sogar ein System zur philosophische Methode als "unredlich" ablehnte, waren Spekulationen und den noch so gewagtesten Interpretationen Tür und Tor geöffnet. Auf ihn beriefen sich Vegetarier, Frauenrechtlerinnen, Sozialisten, Kommunisten und neben vielen anderen natürlich auch die Theoretiker des Nationalsozialismus.

Steven E. Aschheim ist es in seinem Buch "Nietzsche und die Deutschen" gelungen, diese verschiedenen Interpretationsversuche zu untersuchen. Er legt in der deutschen Übersetzung seines 1992 erschienenen Werks eine Fülle von Material dazu vor. Fern von jeder Parteinahme stellt er nüchtern die Auswirkungen Nietzsches in Deutschland bis zum Jahr 1990 dar.

Abhängig von der jeweils existenten politischen Strömung, wurde seine Philosophie manipulativ verändert, uminterpretiert und aus ihr falsche Schlüsse gezogen. Herausgekommen ist ein teilweise bis zur Unkenntlichkeit verstümmelter Gehalt seiner philosophischen Quintessenz.

Aschheim gelingt es kenntnisreich und detailliert über diese Peroiden deutschen Geistesgeschichte Auskunft zu geben. Leider läßt sein Interesse an der Wirkungsgeschichte Nietzsches nach dem 2. Weltkrieg nach. So widmet er der Zeit von 1945-1990 ausschließlich ein einziges Kapitel. Dabei ist doch gerade die Neuentdeckung, bzw. Wiederentdeckung Nietzsches ab dem Jahr 1980 von großer Bedeutung.

Wer sich umfassend und ausführlich mit der Nietzscherezeption in Deutschland beschäftigen möchte, kommt an diesem Buch, daß eine überwältigende Fülle an Material verarbeitet hat, nicht vorbei.




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