Buchkritik -- Tom Wolfe -- Back to Blood

Umschlagfoto Tom Wolfe, einer der besten amerikanischen Gegenwartsautoren ist ein guter Beobachter gesellschaftlicher Verwerfungen. Das stellt er mit seinem neuen Roman "Back to Blood" einmal mehr unter Beweis. Miami ist der Schauplatz, an dem der Autor Gruppeninteressen und Egoismen aufeinanderprallen lässt. Diese Stadt dient Wolfe als Bühne für ein Schauspiel, dass zukunftsweisenden Charakter aufweist, ist doch Miami die Stadt der USA, in der Migranten längst die Mehrheit der Bürger stellen. Kubaner, Haitianer, Afroamerikaner und Russen dominieren diesen Schmelztiegel, der längst einem Pulverfass gleicht.

So wird die Rettungsaktion eines kubanischen Flüchtlings ausgerechnet durch den ebenfalls aus Kuba stammenden Polizisten Nestor zu einem, die ethnischen Minderheiten Miamis polarisierenden Ereignis. Die weißen Amerikaner feiern ihn als Held, wohingegen die kubanische Gemeinde in ihm einen Verräter an der Freiheitsbewegung ihres Heimatlands sieht. Schnell wird klar, dass unter der Oberfläche des täglichen Zusammenlebens alte ethnische Vorurteile wieder aufleben und für eine explosive Stimmung in Miami sorgen.

Routiniert legt Wolfe seine Figuren an. Ein Bürgermeister, der um jeden Preis wiedergewählt werden will. Ein schwarzer Polizeichef, der aus Gründen ethnischer Proportionalität ins Amt gelangte. Ein Polizist, Nestor, der zwischen die Fronten rivalisierender Interessengruppen gerät. Ein russischer Oligarch, der ein Museum mit Fälschungen bestückt und, man muss es so sagen, auch noch wenige Weiße, die eigentümlich verloren sind, im Meer der Ethnien Miamis.

Tom Wolfe hat sich fraglos viel vorgenommen mit seinem Roman "Back to Blood" und doch ist leider nur wenig davon gelungen. Zu sehr versucht der Autor über die gesellschaftlichen Probleme hinausführend, ein Sitten-, Sozial- und Gesellschaftsroman des 21. Jahrhunderts zu schreiben und bleibt doch in pseudopolitischen Belanglosigkeiten stecken.

Der Autor will viel sagen und bleibt doch verhaftet in der Schwebe zwischen einem Kriminalroman und einem Sittenbild, dass er, man denke an "Fegefeuer der Eitelkeiten" bereits schon einmal bravourös abgeliefert hat. Natürlich muss sich Tom Wolfe an diesem Roman messen lassen. Dabei kommt "Back to Blood" leider nicht gut bei weg.

Nur ansatzweise blitzt das schriftstellerische Können Wolfes hervor, als er mit Verve die Kunstbessenheit von Milliardären mit der Sucht nach Pornographie vergleicht, an der, analog der windigen Kunstberater der oberen Zehntausend, auch die Psychiater gut verdienen und alle zusammen sich einen Teufel darum scheren, ob ihre Tätigkeit moralisch einwandfrei ist, bzw. ob sie dazu in der Lage sind, ihren Klienten wirklich zu helfen. Beide, Kunstberater und Psychiater sind egomanische Charaktere, die sich schamlos an den Macken und Krankheiten ihrer Patienten oder Auftraggeber bereichern.

Jede ethnische Gruppierung Miamis hält ihr eigenes Süppchen am köcheln und schnell wird aus der Verhaftung eines Afroamerikaners eine rassistische motivierte Polizeiaktion. Ab und zu blitzt das Können Wolfes auf wie ein Feuerwerk, um danach wieder in der Gemächlichkeit eines durchschnittlichen Gesellschaftsromans zu enden.

Das ist schade, besitzt doch das Thema Minderheitenpolitik eine so dringende literarisch-gesellschaftliche Relevanz. Wie umgehen mit den Interessen der verschiedenen Ethnien? Liegt in der jeweiligen Entscheidung für den Vorteil einer gesellschaftlichen Gruppe bereits der Zündfunke für den nächsten Konflikt? Tom Wolfe hat darauf keine richtige Antwort gegeben. Die entstehenden Konflikte bleiben ungeklärt, die Personen sind weiterhin in ihren jeweiligen Gruppierungen isoliert und eine ethnienübergreifende Kommunikation findet nicht statt.

Wenn man den Roman jedoch unter einem ganz anderen Vorzeichen betrachtet, dann wird aus der vordergründigen Schilderung vom Miamis gemischter Gesellschaft ein Abgesang auf die Vorstellung eines funktionierenden Systems von Multikulti und der Abschied vom Traum des globalen Dorfes, dass, angesiedelt in den Großstädten, dort zu unüberbrückbaren Differenzen führen wird.

"Back to Blood" gelesen als Warnung vor ethnischer und kultureller Beliebigkeit, enthält eine gesellschaftliche Sprengkraft, die eher dem schriftstellerischen Können eines Tom Wolfe angemessen wäre.




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