Buchkritik -- Benjamin Percy -- Wölfe der Nacht

Umschlagfoto, Benjamin Percy, Wölfe der Nacht, InKulturA Der amerikanische Mann hat es nicht leicht, zumal wenn er in Oregon wohnt. Auch für die in den weit von den urbanen Zentren der USA entfernt lebenden Menschen bringen Veränderungen gewohnte Lebens- und Verhaltensweisen durcheinander.

In Benjamins Percys Debutroman stehen drei Generationen einer Familie im Fokus der Erzählung. Paul, der Großvater, wollte aus einem Sohn Justin einen, so wie er es nennt, richtigen Kerl machen. Damit ist er gescheiter, Justin ist ein weicher, jeder Konfrontation aus dem Weg gehender Lehrer geworden. Beruflich desillusioniert und nach einer Fehlgeburt seiner Frau auch in einer kaputten Ehe lebend, folgt er der Einladung seines Vaters, der mit seinem Sohn und seinem Enkelkind ein Wochenende in der Wildnis verbringen will, bevor diese Gegend einem Bauvorhaben weichen muss.

"Wölfe der Nacht" ist ein Roman über Männlichkeitsmythen, die sich und ihre Verfechter längst überlebt haben. Jagen und Biertrinken, im Klartext, betrunken durch die Wälder ziehen und Tiere töten, ist extrem aus der Mode gekommen. Das zeigt Justins Sohn Graham, der die Natur nur durch den digitalen Filter des Internets kennt und erst durch seinen Großvater den Umgang mit einem Gewehr lernt. Der Reiz des Neuen ist verlockend, doch schnell merkt er, welche Brutalität wirklich hinter der Jagd steckt und welche Gefahren in der Natur für einen kleinen Jungen, dessen Vater zudem keine große Hilfe darstellt, bestehen.

Dann ist da noch Brian, ein auf den ersten Blick überaus netter und hilfsbereiter Schlüsseldienstbetreiber, der Justins Frau Karen dabei behilflich ist, die Haustür zu öffnen, nachdem sie ihren Schlüssel vergessen hatte. Doch auch Brian ist gezeichnet. Im Irakkrieg schwer verwundet, trägt er seelische Narben mit sich herum, die ihn von der Gesellschaft ausschließen.

Gescheiterte Männer sind das Motiv dieses Romans. Unfähig sich an die Veränderungen, die im Land geschehen anzupassen, hängen sie alten, nicht mehr funktionierenden Lebensentwürfen nach, oder haben, wie Justin, längst aufgegeben. Paul will auf dem Jagdausflug die "gute alte Zeit" noch einmal heraufbeschwören, doch es kommt zu einer Katastrophe.

Percy zeichnet seine Figuren ohne Hoffnung. Sie sind gefangen in den Kreisen innerer Selbstzerfleischung. Die Ehe zwischen Karen und Justin ist längst aggressiver Sprachlosigkeit gewichen und nur noch die elterlichen Pflichten für Graham halten die beiden zusammen.

Träume und Lebensentwürfe sind unter dem Gewicht der täglichen Routine und des Berufs zusammengebrochen. Bis auf Paul will jede der Figuren eigentlich ganz woanders sein. Brian gelingt es nicht, real aus dem Teufelskreis seiner Kriegserinnerungen zu entkommen und flüchtet sich in schwere Migräneanfälle.

Es ist ein hoffnungsloses Leben, das die Personen in diesem Roman führen. Das Altbewährte gibt es nicht mehr und das an seine Stelle getretene Neue ist auch nicht besser. Jeder bleibt dermaßen in sich selbst verhaftet, dass es den Leser manchmal fast physisch schmerzt, Zeuge dieser Stagnation zu werden. "Wölfe der Nacht" ist ein bedrückendes psychologisches Profil individuellen Scheiterns.




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Veröffentlicht am 1. Dezember 2013