Europa in nicht all zu ferner Zukunft. Im Jahr 2027 hat auf der Welt eine globale diktatorische Regierung die Macht übernommen. Individualität und Freiheit sind abgeschafft. Die Menschen sind in den Augen der Herrschenden heilungsbedürftige Objekte, die bereits im Kindesalter mit Medikamenten sediert werden müssen. Der Durchschnittsmensch Franz Kohlhaas gerät wegen einer Lappalie in die Fänge der Strafverfolgungsbehörden und wird wegen "theoretischer schwerer Körperverletzung" zu 5 Jahren Einzelhaft in einer Isolationszelle verurteilt. Kurz bevor er mental zusammenbricht, gelingt ihm zusammen mit einem Mithäftling ein Fluchtversuch, in dessen weiterem Verlauf er sich einer Widerstandsbewegung anschließt.
In seiner beklemmenden Zukunftsvision Beutewelt beschreibt Alexander Merow eine Gesellschaft, die jeglicher Rechte beraubt wurde. Im Namen der Freiheit wurden von einer sog. Weltregierung sämtliche Menschenrechte außer Kraft gesetzt. Jeder steht unter Generalverdacht und ein nahezu lückenloses Überwachungssystem sorgt für ein Klima der Angst und des Misstrauens. Diese Weltregierung etablierte sich nach einer globalen Finanzkrise und setzte mithilfe einer propagierten abstrakten Terrorgefahr sukzessive jede Manifestation von Freiheit auf die Liste verbotener, systembedrohender Verbrechen.
Der Leser kann sich erschreckend schnell in diese Welt hinein versetzen. Das mag daran liegen, dass wir aktuell Zeugen davon werden, wie im Namen der Freiheit ebenfalls Grundrechte außer Kraft gesetzt werden und wie ein grenzenloser Kapitalismus sich daran macht, die Welt nach seinen Zielen und Plänen zu verändern. Die dabei eingegangene Allianz zwischen dem Kapital und den Herrschenden ist zusammen mit der fortschreitenden Nivellierung bislang differenter Traditionen und Lebensweisen der Völker dieser Erde verbunden.
Der Autor schildert eine (noch) fiktive Welt, in der Begriffe wie Freiheit, Menschenrechte, Individualität und Liebe per Dekret abgeschafft worden sind. Aufgrund des Mangels an Arbeit gibt es eine Massenverelendung ungeahnten Ausmaßes. Vereinzelte Revolten werden von der Staatsmacht unbarmherzig niedergeschlagen. Mit Bildern, die an die Schrecken der beiden großen Diktaturen des 20. Jahrhunderts - Kommunismus und Nationalsozialismus - erinnern, zeigt Alexander Merow die Gefahr, die aus einem individuell politisch uninteressierten Leben resultieren kann. Nicht umsonst lässt er seinen Protagonist Franz Kohlhaas kurz nach seiner Flucht davon träumen, dass, wenn er sich nicht um die Politik kümmert, die Politik sich eines Tages um ihn kümmert. In Beutewelt , dem ersten Teil einer Romantrilogie, ist es bereits so weit.
Nicht ohne Grund dürfte der Autor seiner Hauptfigur den Namen Kohlhaas gegeben haben. In Anlehnung an die Novelle von Heinrich Kleist rebelliert auch hier ein Bürger gegen Willkür und Unterdrückung durch die Herrschenden. Auch der Kohlhaas Merows entscheidet sich für den bewaffneten Kampf. Er führt in Paris einen Anschlag auf einen Repräsentanten der Diktatur aus.
Alexander Merow beschreibt realistisch das Szenario einer möglichen Zukunft. Leider, und das ist ein kleines Manko, bleibt die Darstellung der Figuren des Romans im Gegensatz zu den überaus plastischen Beschreibungen der zukünftigen Lebensbedingungen und des Attentats auf den Gouverneur etwas unscharf. An der Spannung und der beklemmenden Aktualität ändert das freilich nichts.
Beutewelt II - Aufstand in der Ferne
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