Buchkritik -- Ulrich Stoll -- Blutsbruderschaft

Umschlagfoto, Buchkritik, Ulrich Stoll, Blutsbruderschaft, InKulturA Der unter merkwürdigen Umständen verübte Mord an einem Doktoranden weckt das Interesse des Fernsehjournalisten Lucas Hermes. Dieser hat schon bessere Tage gesehen, seine finanziellen Verhältnisse sind prekär, seine aktuelle Geliebte, die ebenfalls seine Vorgesetzte ist, gibt ihm den Laufpass und zu allem Überfluss ist er gezwungen, sich eine neue Bleibe zu suchen. Er benötigt also dringend eine Story, die sich gut verkauft und wieder Geld auf sein Konto fließen lässt.

Doch leider werden in seiner Redaktion Umbesetzungen vorgenommen und, es ist der Wendeherbst 1989, der Fokus der Berichterstattung liegt vorerst auf einem anderen Schwerpunkt als der bizarre Mord. Als seine ehemalige Freundin die Verdächtige eines Sprengstoffanschlags ist und von der Polizei gesucht wird, ist es Hermes klar, dass es um weit mehr geht, als es den öffentlichen Anschein hat.

Ulrich Stoll verknüpft geschickt zwei auf verschiedenen Ebenen spielenden Kriminalfälle. Einer führt ins esoterische Universum der Rosenkreuzer, der andere spielt auf der Ebene knallharter politischer Realität. Der sich anbahnende Zusammenbruch der DDR führt hüben und drüben zu hektischen Aktivitäten. Akten werden vernichtet - oder für eine spätere „Verwendung“ aufbewahrt -, Lebensläufe umgeschrieben und alte Rechnungen beglichen.

Die treibenden Kräfte dieser, bis auf wenige Ausnahmen der Öffentlichkeit verborgen bleibende Aktionen sind einflussreiche Kreise, die, an der offiziellen Politik vorbei, ihre eigenen Interessen verfolgen. In genau dieses Wespennest sticht Lucas Hermes, als er den Versuch unternimmt, seiner ehemaligen Freundin zu helfen.

Es ist die Mischung aus Meyrink´scher Esoterik und realpolitischen Untergrundbewegungen, die den Reiz und die Spannung des Romans ausmacht. Während erstere als naive Weltbewältigungsstrategie belächelt werden kann, deren Adepten jedoch auch vor Mord nicht zurückschrecken, erweisen sich letztere einmal mehr als Staat im Staat, der stets bereit ist, ohne Skrupel zur Erreichung seiner politischen Ziele zu gelangen.

Auch der zweite Roman um Lucas Hermes führt den Leser in die Welt der Politik, der Geheimdienste und deren Machenschaften. Unter der Oberfläche politischer Normalität betreiben die alten Kräfte ihre neuen Kämpfe und die Medien, Stichwort Redaktionsumbesetzung, erweisen sich als willige Helfer in diesem Spiel. „Blutsbruderschaft“ ist ein hart an der Realität geschriebener Politthriller. Absolute Leseempfehlung.




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Veröffentlicht am 5. Oktober 2018