Buchkritik -- Elske Brault -- Geheime Fluchten

Umschlagfoto, Buchkritik, Elske Brault, Geheime Fluchten, InKulturA Der Status einer Geliebten oder eines Geliebten, auch die gibt es, ist fragil. Das wissen die jeweils beteiligten Personen und, je länger dieser Zustand, die Beziehung andauert, umso schmerzhafter. Glaubt man einer Statistik der Gesellschaft für Erfahrungswissenschaftliche Sozialforschung aus dem Jahr 2008, dann leben in der Bundesrepublik ca. drei Millionen Frauen als Geliebte.

Geliebte(r) sein bedeutet in einem Spannungsfeld zu leben, das, wie es Elske Brault in ihrem Roman immer wieder auf verstörende Weise artikuliert, zwischen bedingungsloser Hingabe auf der einen Seite und ohnmächtigem Hass auf der anderen pendelt. Das Glücksgefühl, endlich Mr. Right begegnet zu sein und die stets unterschwellig vorhandene Hoffnung, es gäbe eine gemeinsame Zukunft, sollte sich die geliebte Person endlich vom bisherigen Lebenspartner trennen, erfährt ein ums andere Mal einen Dämpfer.

Es ist ein aussichtsloses Unterfangen, das die Ich-Erzählerin in ihrem autobiographisch geprägten Roman Revue passieren lässt. Der Kampf um einen Mann, der gleich zu Beginn der Beziehung klarstellt, dass es für ihn ausschließlich eine sexuelle ist und er niemals seine Frau verlassen würde. „..., ich solle die Realität anerkennen, nämlich dass er mich nicht liebt.“ Die Karten liegen also offen auf dem Tisch, die Körperchemie, viel mehr aber noch die Gefühle, zumindest die von Elske, der Geliebten, sprechen eine andere Sprache.

Die in den Augenblicken körperlicher Nähe entstehende tiefe emotionale Verbindung wird für die Geliebte regelmäßig zu einem mentalen Desaster, das sie weit in ihre schwierige Kindheit zurückwirft und sie die zahlreich gemachten Erfahrungen des nicht Angenommenseins und der hauptsächlich vom Vater immer wieder ausgestrahlten Botschaft des lebenden Störfalls an die Adresse der Tochter immer wieder aufs Neue durchleben lässt.

Elske, so schreibt sie über sich selbst, ist „...immer noch das kleine einsame Mädchen“, das sie, sie wird sich dessen erst sehr spät bewusst, auch und gerade in der Beziehung zu Jakob niemals hinter sich lassen wird. So ist es nur folgerichtig und ein weiterer Versuch zur Verarbeitung erlittener seelischer Verletzungen, dass die Geliebte beginnt, sich gegen den zur Wehr zu setzen, der seine und nicht ihre Regeln für die ungleiche Partnerschaft aufgestellt hat.

Mannomann, muss Mann konstatieren, die Frau zieht, bis auf handfeste physische Reaktionen, alle Register. Sie sucht immer wieder die Nähe zu Jakob, bittet wiederholt um, wie sie es ausdrückt, letzte Treffen, sehr wohl darum wissend, dass diese ihr Verlangen und damit auch ihr Leiden nur perpetuieren werden.

Elske ist eine Getriebene, der man ein ums andere Mal zurufen möchte, endlich einen Schlussstrich zu ziehen, doch die in der Kindheit geschlagenen Wunden sind anscheinend zu tief, um geheilt zu werden. So bleibt sie gefangen in dem fatalen Kreislauf aus Sehnsucht und Zurückgewiesenwerden, aus dem sie sich nicht befreien kann, befreien will.

Mit einem der letzten Sätze des Romans bringt die ewige Geliebte es auf den traurigen Punkt: „..., aber jetzt, in dem Moment, da ich diesen Satz schreibe und mit ihm meine Geschichte beende, bin ich überzeugt, dass mein Begehren immer bleiben wird, ganz gleich, mit wem ich zusammen bin, ganz gleich, wo und wie ich lebe...“

Was für weitere Tragödien deuten sich damit an.




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