Buchkritik -- Jürgen Buchmann -- Die peinliche Affäre auf der Grotenburg

Umschlagfoto, Juergen Buchmann, Die peinliche Affaere auf der Grotenburg, InKulturA Abseits des literarischen Mainstreams, den die großen Verlage hervorragend zu bedienen verstehen, gibt es die kleinen Verlage, die sich der Veröffentlichung des außergewöhnlichen Lesegenusses verschrieben haben. Einer davon ist Reinecke & Voß, der zwar kein Massenpublikum versorgt, in dessen Programm jedoch so manches literarische Kabinettstückchen zu finden ist. Hier, sozusagen an der Basis schriftstellerischer Originalität, sind Bücher von Jürgen Buchmann zu finden, der seine Leser mit originellen Ideen und exzellenter Diktion zu begeistern vermag.

Mit den Bänden "Die peinliche Affäre auf der Grotenburg" und "Wahrhafftiger Bericht über die Sprache der Elfen des ExterThals, nach denen Diariis Seiner Hoch Ehrwürden Herren Martinus Oestermann, weiland Pfarrer an St. Jakobi zu Almena" widmet sich der Autor augenzwinkernd zwei in der Literatur stets beliebten Sujets. Zum einen die immer wieder spannende Paarungsfrage "Bekommt er sie oder sie ihn" und zum anderen das nicht weniger faszinierende Thema des zufällig gefundenen Manuskripts, das lange Zeit im Verborgenen schlummerte und neue Erkenntnisse über längst vergangenen Zeiten verspricht.

Beide Bücher, sie könnten unterschiedlicher nicht sein, zeigen dem Leser, was alles möglich ist, wenn man sich denn darauf einlässt, die eingetretenen Pfade des Gewohnten zu verlassen und die Bücher des, so der Kritiker Dirk Uwe Hansen, "Fachverlags für Horizonterweiterung" liest.

In Detmold geschieht Unerhörtes. Dr. Helmut Timmermanns, Leiter des Museums, immer im Dienst der Wissenschaft und schüchtern bis zur Verklemmtheit, verliebt sich in eine spröde Schönheit, deren hormonelles Sehnen leider einer anderen Person gilt. Zu allem Überfluss verschwindet auch noch das Denkmal des Arminius, besser bekannt als Herrmann, der Cherusker, stattliche 26,57 Meter hoch und seit 1875 auf der Grotenburg stehend. Panik macht sich breit und ganz Detmold ist betroffen über den schier unglaublichen Vorfall.

Jürgen Buchmann macht daraus einen charmanten Band über die Befindlichkeiten in der deutschen Provinz, die, ist man ehrlich, sich genauso in der immer erregten Hauptstadt abspielen könnten. Die Medien verbreiten aufgrund mangelnder Spuren eine Fehlinformation nach der anderen und sogar der italienische Ministerpräsident Berlusconi wird mit den Worten zitiert, "er habe als Italiener keine Probleme, sich ein Ostwestfalen-Lippe ohne Hermann vorzustellen." Was für ein bedauerlicher Chauvinismus.

Das zweite, nicht weniger originelle Buch aus der Feder Jürgen Buchmanns, spielt geschickt mit dem Thema des plötzlich aufgetauchten Dokuments, das, folgt man der Dramaturgie Hollywoods, Reichtum, Energiesicherheit und ewigen Weltfrieden verspricht.

Der Autor hat es da zum Glück eine Nummer kleiner und lässt in einem Archiv ein altes Manuskript auftauchen, worin ein vor drei Jahrhunderten verstorbener Pfarrer - natürlich aus dem Extertal - einige Begegnungen der außergewöhnliche Art beschreibt. Buchmann gelingt es damit, eine Authentizität zu erzeugen, die mit der Sehnsucht des Menschen nach den scheinbaren Dingen hinter der wahrgenommenen Realität spielt.

Er bedient sich dabei durchaus konventioneller Methoden und macht aus den sporadischen Begegnungen eines Pfarrers mit einer Kräuter suchenden Zigeunerin eine mysteriöse Geschichte, die, hervorragend persifliert von Jürgen Buchmann, sogar in der Gegenwart für wissenschaftliche Kontroversen sorgt. So interpretiert eine gewisse Judith Adler, von Beruf Psychoanalytikerin, Oestermanns Manuskript als "Urkunde einer manischen Depression und den unbewussten Versuch, die verlorene Mutter herbeizurufen". Was für ein wunderbarer Seitenhieb auf Kaffeesatzleserei, die sich als Wissenschaft ausgibt.

Wer Lust auf Lesen hat und dabei abseits des Mainstreams fündig werden will, für den ist der Verlag Reinecke & Voß eine gute Adresse.




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Veröffentlicht am 27. Oktober 2014