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Fans von Südstaatenkrimis kommen um ihn nicht drumherum: James Lee Burke. Seine Romane um den zynischen Cop Dave Robicheaux sind legendär – und hart. Aber der Autor hat noch eine andere Familie literarisch verewigt: Die Hollands.
In „Das verlorene Paradies“ spielt ein Mitglied eben dieser Familie die Hauptrolle: Aaron Holland Broussard. Aaron ist ein umherziehender Landarbeiter und ehemaliger Hochschullehrer, eine Art Woody-Guthrie-Typ, der mit einer Gitarre und einer Reisetasche bevorzugt in Güterwagen reist und Gelegenheitsjobs übernimmt. Er hat einen Roman geschrieben, der jedoch nicht veröffentlicht wurde und ist dabei, einen neuen zu beginnen.
Als er auf einer Farm außerhalb von Trinidad, Colorado, landet, entwickelt er eine starke Bindung zu Jo Anne McDuffy, einer jungen aufstrebenden Malerin mit einer dunklen Vision, einer grüblerischen Persönlichkeit und mysteriösen Bindungen zu ihrem Kunstlehrer am College.
Aaron ist ein Veteran aus dem Koreakriegs, der an einer posttraumatischen Belastungsstörung leidet. Zu seinen Symptomen zählen Ohnmachtsanfälle, Gedächtnisverlust und Wutausbrüche. In Kombination mit einer Stadt voller korrupter und gewalttätiger Bürger und einem Serienmörder, der es auf einheimische Frauen abgesehen hat, bilden Aarons Launenhaftigkeit, seine Zuneigung zu Jo Anne und sein strenger Moralkodex den Grundstock für Ärger.
Burke erzählt seine Geschichte in einer Art stilistischer Pastiche. Seine Beschreibungen der Landschaft und Aarons Sehnsucht nach einem verlorenen Paradies erinnern an John Steinbeck, Thomas Wolfe und William Faulkner, während seine, in einem hartgesottenen Ton gehaltenen Dialoge, insbesondere wenn Aaron mit dem örtlichen Bösewicht Rueben Vickers und seinem Sohn Darrel aneinander gerät, deutlich an Raymond Chandler und Ross Macdonald erinnern dazu. Was für ein herrlicher Kontrast.
Allerdings ist es schwierig sich zu entscheiden, wie man diesen Roman lesen soll. Fans von Burkes Krimis werden sich über Aarons Düsternis und die Figur Wade Benbow freuen, einen desillusionierten örtlichen Detektiv, der mit Krebs und persönlichen Verlusten zu kämpfen hat, während er versucht, den Frieden zu wahren und einen Mörder aufzuspüren.
Wer sich für historische Belletristik interessiert, wird seine Beschreibungen des ländlichen und kleinstädtischen Colorado im Jahr 1962 zu schätzen wissen, als Drogen in diese Region einzudringen beginnen, zusammen mit den typischen Problemen und den deprimierenden Verlusten an Menschenleben, die damit einhergehen.
Doch jenseits der historischen Elemente und dem Thriller-Charackter wird das Ende des Romans vielen Lesern Probleme bereiten.
In der Nacht des Höhepunkts der Geschichte, als Aaron und Jo Anne nach Ludlow fahren, einer Geisterstadt, in der 1914 das Ludlow-Massaker, ein Angriff der Nationalgarde auf streikende Bergarbeiter mit zahlreichen Toten, stattfand, verwandelt sich die Dunkelheit in spürbares Böses.
Im Scheinwerferlicht taucht eine augenlose Gestalt mit Kapuze auf. Ein Blitz spaltet einen Baum in zwei Hälften. Am Straßenrand tauchen tote Menschen auf und schauen ihnen beim Vorbeigehen zu. Später, als sie ihr Ziel erreichen, kriechen Strichmännchen zwischen den Felsen umher und geflügelte Kreaturen flitzen durch die Dunkelheit über ihnen.
Burke weist eindeutig darauf hin, dass das Böse, dem Aaron in dieser Geschichte begegnet, seine Sehnsucht nach Eden in das Wissen verwandelt hat, dass die Hölle mit Sicherheit auf dieser Erde existiert.
Hier bewegen wir uns von einem „realistischen Thriller“ auf die eher literarische Ebene der Allegorie, und so muss das Ende dann auch gelesen werden, um es überhaupt zu verstehen. Aaron bezieht sich mehrmals auf Nathaniel Hawthornes „Young Goodman Brown“, eine düstere Geschichte und eines der besten Beispiele für Allegorien in der amerikanischen Literatur.
„Das verlorene Paradies“ ist eine andere Art Geschichte des versierten Meisters der Kriminalliteratur. Fans von James Lee Burke müssen ihre Erwartungen dahingehend anpassen, bevor sie dieses Buch lesen, denn ihr Autor hat mit seiner Geschichte mehr im Sinn, als man auf den ersten Blick erkennen kann.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 3. April 2024