Buchkritik -- Fabian Eder -- Das Gesicht der Anderen

Umschlagfoto, , InKulturA Ein zufällig sich aus einer Pistole lösender Schuss wirft das Leben der jungen Margarete Boll aus seiner geplanten Bahn. Die Tochter eines erfolgreichen Unternehmers, der mit der Herstellung von Waffen reich geworden ist, wird durch diesen schrecklichen Unfall, der ihr Gesicht vollkommen zerstört hat gezwungen, sich vor den Blicken der Menschen zu verbergen. Entstellt und aus diesem Grund angsterfüllt gegenüber sozialen Kontakten, zieht sich Margarete immer mehr zu zurück in eine Welt aus Einsamkeit und Verzweiflung.

Ohne Hilfe der Eltern, die durch den Unfall selber aus der vermeintlichen Sicherheit einer großbürgerlichen Existenz geworfen werden, muss die Tochter ihr tragisches Schicksal allein bewältigen. Dabei ist ihr Leben ein einziger Ruf nach Liebe und Freundschaft, der jedoch vom klaren Bewusstsein darüber, aufgrund ihres Aussehens abgelehnt zu werden, überschattet wird. So ist es fast folgerichtig, wenn ihr erster Versuch aus dem selbstgewählten Käfig auszubrechen und einen über das Internet angebahnten sozialen Kontakt zu machen, in einer Katastrophe endet.

"Das Gesicht der Anderen" von Fabian Eder ist ein verstörender Roman über die Macht der Äußerlichkeit. Was geschieht mit einer Person, deren Gesicht, deren Physiognomie den Bereich verlässt, der gesellschaftlich akzeptiert ist und der dafür sorgt, dass ein Individuum Mitglied einer Gruppe wird oder bleibt?

Ist das Gesicht, der Autor beschreibt Margaretes Verletzungen sehr drastisch, wirklich die Eintrittskarte in die Gesellschaft, ist quasi die Maske im Theater der täglichen Eitelkeiten und Moden? Und weitergedacht, gibt es einen Zusammenhang zwischen Aussehen und Psyche, den nicht zuletzt die Werbung immer wieder in das Bewusstsein der Konsumenten hämmert? Kann in einem schönen Körper eine, um einen Begriff aus religionspsychologischer Sicht zu wählen, hässliche Seele stecken und umgekehrt, kann ein den gesellschaftlich akzeptierten Normen der Schönheit nicht genügender Mensch eine helle, lichte Seele besitzen?

Erst als Margarete den Künstler Hein Schuberth kennenlernt, erschließt sich ihr sukzessive eine Welt, die sie sich ersehnt hat, so bislang jedoch noch nicht erlebt hat. Dieser um Jahre ältere Mann erkennt in ihr scheinbar die Person, die sie wirklich ist und gibt ihr endlich das, was sie sich schon lange gewünscht hat - Liebe und Zärtlichkeit. Dadurch blendet sie vollkommen aus, dass Hein hinter seiner Maske des liebevollen Mannes dunkle und berechnende Pläne hat

Fabian Eder berührt mit seinem Roman Fragen, die weit über das hinausgehen, was wir uns im Allgemeinen bereit sind zuzugestehen. Wo befindet sich die Grenze, die zu überspringen wir nicht gewillt sind? Schenken wir den Verheißungen der Schönheit Glauben oder können und wollen wir hinter die Maske des Sichtbaren schauen und dabei unsere fraglos gesellschaftlich konditionierten Normen hinter uns lassen?

"Das Gesicht der Anderen" ist ein Roman, der den Leser mit Fragen konfrontiert, die im Normalfall nur all zu gern ausgeblendet werden.




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Veröffentlicht am 9. August 2014