Wer könnte berufener sein über den Krieg, diese von Menschen organisierte Aggression, zu reflektieren, als ein Soldat und Offizier, der, im Gegensatz zu Soziologen und anderen theoriegebundenen Wissenschaftlern, genau weiß, worüber er schreibt. Franz Uhle-Wettler, Generalleutnant a. D. der Bundeswehr, Militärhistoriker und zuletzt Kommandeur des NATO Defense College in Rom, hat sich mit dem bereits im Jahr 2001 erschienenen Werk "Der Krieg" intensiv mit der Frage beschäftigt, unter welchen Aspekten die Menschen kriegerische Auseinandersetzungen gesehen haben und damit die theoretischen Grundlagen über das Wesen des Krieges schufen. Das Buch liegt jetzt in einer vollständig überarbeiteten Neuauflage vor.
War der Krieg in der Auffassung der Antike noch der Ausdruck einer mehr oder weniger natürlichen Ordnung, der die Menschen gezwungen waren Folge zu leisten, so trat mit der römischen Idee vom "bellum iustum", vom gerechten Krieg, eine vollkommen neue Definition militärischer Interventionen auf.
Für Cicero waren mit Ausnahme von Angriffskriegen alle Kriege moralisch einwandfrei. Kein Wunder, dass die von Rom geführten Kriege selbstredend als Verteidigungskriege bezeichnet wurden. Das Christentum als neue römische Macht etabliert, stand dann auch vor der Frage, wie reale Gewalt trotz religiös begründeter Gewaltlosigkeit zu legitimieren sei. Damit wurde der gerechte Krieg als gottgefällig bezeichnet und lange Zeit verlief die Front zwischen "Gut" und "Böse". Dass sich damit jeder Krieg als ein gerechter definieren ließ, ist evident.
Erst zwischen dem 16. und 19. Jahrhundert wurden Versuche unternommen, den Krieg aus dem fatalen Einfluss religiöser Motivation herauszulösen und ihn damit, auch wenn es sich merkwürdig anhört, zu humanisieren. Krieg war nicht länger ein Instrument kirchlicher Machtansprüche, sondern, so Clausewitz, ein Werkzeug der Politik. Die Kabinettskriege des frühen 18. Jahrhunderts hatten dann auch eine fest umrissene Zielsetzung und versuchten eine möglichste große Schonung von Menschen und Sachwerten.
Uhle-Wettler würdigt Machiavelli als einen der frühen Theoretiker solcher Auseinandersetzungen, dagegen betritt mit den Gedanken von Tommaso Campanella und Thomas Morus erneut die Theorie des "gerechten Krieges" die Weltbühne, was in der Moderne zu einer bislang unerreichten Barbarisierung des Krieges führte.
Als Folge der Französischen Revolution, die sich ideologisch als Befreiungskrieg in ganz Europa ausbreitete, kam es zu ersten Anzeichen späterer Brutalität, die Jacob Burckhardt so begründete: "Alle Sicherheit hat eine Ende, seit die Politik auf den Gärungen der Völker gegründet ist". Demokratie und Säkularisierung erwiesen sich damit als Wegbereiter der Brutalitäten des 20. und 21. Jahrhunderts.
Die ideologische Indoktrination mittels Propaganda war der Ausdruck politischer Heuchelei, wenn es um die Erreichung von Kriegszielen ging. Gerade die Kriegspropadanda der "Alliierten" im Ersten und Zweiten Weltkrieg, war, der Autor schildert der (deutschen) Öffentlichkeit weitgehend unbekannte historische Fakten, ein Beispiel für die Entmenschlichung des Gegners durch das Führen des vermeintlich "gerechten Kriegs".
Auch für die Kriege der Zukunft sieht Uhle-Wettler derzeit keine politische Bereitschaft zur Rückkehr zur Maxime von Clausewitz, den Krieg als Mittel der Politik zu betrachten. Ideologisches Sendungsbewusstsein, getarnt als Verheißung "westlicher Werte", wird dafür sorgen, dass eine weitere Moralisierung des Krieges stattfinden wird.
Ein Stilmittel der Propaganda besteht darin, das aktuell unpopuläre Wort "Krieg" durch Euphemismen wie "Maßnahme zur Friedenssicherung" oder "humanitäre Hilfe" zu ersetzen. Die Einmischung des Westens in z. B. den nordafrikanischen Ländern, im politischen Neusprech als "arabischer Frühling" tituliert oder die direkte Einflussnahme der EU in der Ukraine lassen Düsteres für die Zukunft erwarten.
"Der Krieg" von Franz Uhle-Wettler ist ein quer zum politischen Zeitgeist geschriebenes Buch. Der gefällt sich aktuell in militärischen Interventionen nach dem "Gut-Böse" Schema. Erst die globale Etablierung westlicher Werte verheißt den ewigen Frieden. Was für ein Trugschluss!
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 28. März 2015