Buchkritik -- Manfred Lütz -- Der Skandal der Skandale

Umschlagfoto, Buchkritik, Manfred Lütz, Der Skandal der Skandale , InKulturA Das Christentum hat derzeit keinen leichten Stand. Die Mitgliederzahlen sinken, die Kirchen bleiben leer und eine sich bis in unsere Tage andauernde pseudo- aufklärerische Attitüde macht es für nahezu alle Übel der Welt verantwortlich. Es gleicht einem Schmuddelkind, dessen Existenz nicht zu leugnen ist, dessen Bekanntschaft man jedoch präferiert, nicht machen zu müssen.

Es sind überwiegend sich hartnäckig haltende Legenden und Gerüchte, die durch ihre stetige Wiederholung den historischen Tatsachen zum Trotz ein Bild des Christentums zeichnen, das eher dem einer Mafiaorganisation ähnelt, als einer Institution, die wesentlich zum zivilisatorischen Fortschritt der Menschheit beigetragen hat.

Spricht der scheinbar aufgeklärte Zeitgenosse vom christlichen Glauben, dann fallen schnell Stich- und Reizwörter wie Kreuzzüge, Inquisition, Hexenverbrennung, Leib- und Wissenschaftsfeindlichkeit, ganz zu schweigen von Judenverfolgung. Die Kirche, darin sind sich viele einig, täte besser daran, sich endgültig von Antlitz der Erde zu verabschieden.

Nun mal schön langsam, das ist das Motto von Manfred Lütz, der die gängigen Klischees bezüglich der angeblichen Verbrechen des Christentums untersucht und auch aufgrund neuester historischer Erkenntnisse zu einem anderen, wesentlich differenzierteren Bild einer über 2000-jährigen Geschichte kommt.

Beispiel Hexenverfolgung: entgegen der landläufigen Meinung war diese nicht von der Kirche veranlasst, sondern wurde, im Gegenteil, von vielen Päpsten und Bischöfen verurteilt. Es war der „weltliche Arm“, die die ohne Frage schrecklichen Hexenverbrennungen initiierte, eben auch als Instrument der Machterhaltung und als Reaktion auf die abstrusen Fantasien und Forderungen der Bevölkerung. So sind z. B. entgegen der landläufigen Meinung kaum Hinrichtungen in Rom bekannt und sogar für Spanien, wo angeblich die Inquisition wütete, gibt es aufgrund neuester Erkenntnisse nur wenige belegte Tötungen.

Das heißt jedoch nicht, dass, quasi im Umkehrschluss, die Kirche und das Christentum der Motor des Fortschritts gewesen ist. Diesen Eindruck jedenfalls erhält der Leser des Buches, denn der Autor wird nicht müde, darauf zu verweisen, dass es das Christentum gewesen ist, das sich bereits in seinen Anfängen als Wegbereiter von Menschenrechten und individueller Freiheit erwiesen hat.

Man tut gut daran, bei den historischen Fakten zu bleiben und die sprechen oft eine andere Sprache als es dem Anliegen des Autors lieb sein kann. Der institutionalisierte Glauben in Form der Kirche trieb sich, um es lapidar auszudrücken, stets auf beiden Seiten des Spielfelds herum. Paktieren mit den Mächtigen fand ebenso statt, wie Opposition und Widerstand. Das Christentum ist, man verzeihe diesen agnostisch daherkommenden Einwurf, nun einmal von Menschen gemacht und die sind, menschlich, allzu menschlich betrachtet, eben auch fehlbar.




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Veröffentlicht am 21. Dezember 2018