Buchkritik -- Bettina Raddatz -- Die Kanzlerkandidatin

Umschlagfoto, Bettina Raddatz  -- Die Kanzlerkandidatin Deutschland ist unter die Räuber gefallen. Politiker stehen auf den Lohnlisten von Unternehmern und leisten brav die von ihnen geforderte Lobbyarbeit. Kungeleien zwischen Politik, Wirtschaft und Justiz behindern Ermittlungen oder verhindern sogar, dass von Kriminellen in Nadelstreifen betrogene Unternehmer ihr Recht einklagen können. Über allen wacht im Hintergrund ein mächtiger Pate der Mafia und benutzt korrupte Politiker zur Verschleierung von Geldwäsche im großen Stil.

Im dritten Teil ihrer Romantrilogie hat Bettina Raddatz noch einmal alle Register des politischen Romans gezogen. Im Mikrokosmos des niedersächsischen Landtags wird von allen Parteien viel getan, um sich entweder an der Macht zu halten oder sich an die Macht zu bringen. Eine Verflechtung von wirtschaftlichen Interessen, politischem Kalkül und kriminellen Energien macht sich daran, das Bundesland in illegale Claims abzustecken und den kriminellen Profit zu maximieren.

Demokratische Regeln werden durch diese Machenschaften außer Kraft gesetzt und der politische Wille der Bürger als eher hinderlich und aus diesem Grund als zu vernachlässigende Größe eingestuft. So ist es nur logisch, dass im Roman "Die Kanzlerkandidatin" die Bürger keine Rolle mehr spielen. Dem Wahlvolk, dem, gerade im ersten Teil der Trilogie, von "Albi" dem Ministerpräsidenten und politischem Urgestein Respekt entgegengebracht wurde und der sich noch auf reale Beziehungen und Kontakte zu seinen Bürgern berufen konnte, stehen jetzt ausschließlich am eigenen Wohlergehen interessierte Ochlokraten gegenüber.

Nach den Morden an dem Abgeordneten Tobias Wächter und dem Unternehmer Hans Baumgart ermittelt Verena Hauser, deren Privatleben nach den Wirrnissen der ersten beiden Bände jetzt endlich in ein ruhigeres Fahrwasser gekommen zu sein scheint. Wieder einmal ist der politische Druck auf die Ermittler sehr groß und die Tatsache, dass die Kriminalpolizistin einen neuen Kollegen hat, dessen Loyalität zweifelhaft ist, macht die Sache nicht leichter.

Der Leser begegnet einer Welt, in der Egoismus und politische Feigheit dominieren. In der skrupellos gelogen wird und jede opportune Möglichkeit zum eigenen politischen oder finanziellen Vorteil genutzt wird. Hinter den Kulissen toben Machtkämpfe, die in einem absoluten Kontrast zu den öffentlichen Auftritten der Politiker stehen. Die Autorin dürfte für diesen Roman wieder einmal auf ihren reichen Schatz an persönlichen Erfahrungen zurückgegriffen haben, war sie doch langjährige Mitarbeiterin in der niedersächsischen Staatskanzlei.

"Die Kanzlerkandidatin" ist der bislang schonungsloseste Politroman, der die Machtspiele der Herrschenden aufdeckt und sogar auf die weitere Entwicklung in Richtung EU-Diktatur hinweist. Nicht von ungefähr beklagt ein Politiker aus der Staatskanzlei die Tatsache, dass gerade die Länderparlamente immer mehr zu Erfüllungsgehilfen der politischen Richtlinien aus Brüssel mutieren. Die Bürger, immerhin der Souverän in einer funktionierenden Demokratie, werden sukzessive entmachtet.

Es ist kein schönes Zukunftsmodell, was Bettina Raddatz in ihrem Roman entwirft. Bereits jetzt hat, und das ist keine Fiktion, das Organisierte Verbrechen in Deutschland Fuß gefasst und wird prompt von den verantwortlichen Politikern zum Nullproblem erklärt. Es findet Geldwäsche im großen Stil statt und die politische Reaktion darauf besteht im Leugnen nach dem Motto: "Es kann nicht sein, was nicht sein darf". Da fragen sich nicht nur die Leser dieses Buches, von wem die politische Richtung dieses Landes bestimmt wird oder wer auf wessen Lohnlisten steht.

Zwei der Romanfiguren reagieren sehr individuell auf die Machenschaften der politisch-kriminellen Seilschaft. Ob auch dem Leser, dem Bürger und Souverän nur diese beiden Möglichkeiten bleiben?

Bettina Raddatz hat mit ihrer Romantrilogie einen Einblick in die Verstrickungen zwischen Politik, Wirtschaft und organisiertem Verbrechen gegeben. Hoffentlich ist die Realität nicht noch schlimmer, als es die literarische Fiktion bereits ist.




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