Buchkritik -- Cornelia Naumann -- Die Portraitmalerin

Umschlagfoto, Buchkritik, Cornelia Naumann, Die Portraitmalerin, InKulturA Man schreibt das Jahr 1733. In Berlin stirbt die Mutter der 12-jährigen Anna und das Kind muss fortan den Haushalt der Familie führen. Anna Dorothea Therbusch, die Tochter Georg Lisiewskis, der, aus polnischem Adel stammend, nach Preußen auswanderte und dort als Portraitmaler reüssierte, will Malerin werden, doch es war Frauen verwehrt, an den Kunstakademien eine künstlerische Ausbildung zu erhalten und so lernte sie, wie auch ihre Schwester Anna Rosina, das Malhandwerk von ihrem Vater.

1742 heiratete Anna Dorothea Lisiewski den Berliner Ernst Friedrich Therbusch, Gastwirt und Hotelier der „Weißen Taube“ in der Heiliggeiststraße, wurde Mutter von fünf Kindern und konnte ihren künstlerischen Neigungen aufgrund der familiären Verpflichtungen nur begrenzt nachgehen. Erst im Jahr 1761 begann mit der Berufung an den Stuttgarter Hof von Herzog Carl Eugen ihre künstlerische Karriere.

Cornelia Naumann hat dieser heute fast vergessenen Rokoko-Malerin mit ihrem Roman "Die Portraitmalerin" ein Denkmal gesetzt. Die Tatsache dass, wie die Autorin es schreibt, der Leser in diesem Roman keine biographischen Informationen findet, hat Cornelia Naumann die große literarische Freiheit gegeben, das Leben und Wirken dieser erst spät ihre Bestimmung gefunden habenden Frau zu erzählen.

Mit viel Gespür für das Berliner Lokalkolorit werden die jungen Jahre Anna Therbuschs beschrieben, die, immer sich den gesellschaftlichen Regeln beugend, eine stete Wanderung auf dem schmalen Grad zwischen Neigung und Pflicht unternehmen muss, es aber trotzdem versteht, sich Freiräume zu sichern, um nicht aufgerieben zu werden im harten Alltag einer Berliner Künstlerfamilie und, nach der Heirat mit Ernst Therbusch, im Führen einer erfolgreichen Gastwirtschaft.

Der Roman lebt in erster Linie von der literarischen Phantasie der Autorin und ist deshalb für ein großes Lesepublikum gedacht, das weniger an nüchternen historischen Fakten, sondern an einem Gesamtbild der Zwänge einer für den Bürger aufstiegsfeindlichen Gesellschaft interessiert ist. Anna kämpft an zwei Fronten gleichzeitig. Ihre festgeschriebene Rolle als Frau und ihre künstlerischen Ambitionen kollidieren miteinander und auch als es ihr endlich gelungen ist, nach einer ersten Ablehnung an der Pariser Académie Royale aufgenommen zu werden, muss sie feststellen, dass für Frauen andere Spielregeln gelten als für ihre männlichen Kollegen.

"Die Portraitmalerin" ist ein Roman, der die Sympathie der Autorin für ihre Protagonistin deutlich zum Ausdruck bringt und die Leser mitnimmt auf eine Reise in eine Zeit, die den allermeisten Frauen weder Aufstiegs- noch Bildungsmöglichkeiten zugestand. Standesdünkel und gesellschaftliche Barrieren bestimmten über den Lebensweg eines Individuums. Als Frau hatte es Anna Dorothea Therbusch doppelt schwer ihr Lebensziel zu verwirklichen. Weibliche Selbstbestimmung war im Wertekanon des 18. Jahrhunderts nicht vorhanden und aktive Teilnahme am künstlerischen Leben war ausschließlich den Männern vorbehalten.

"Die Portraitmalerin" erzählt mit atmosphärisch dichter Sprache die Geschichte einer Frau, die gegen die Konventionen verstößt, um ihren eigenen Weg zu gehen. Man kann diesem Roman nur wünschen, dass er ein großes Lesepublikum erreicht.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 01.Juni 2014