Buchkritik -- Thea Dorn -- deutsch, nicht dumpf

Umschlagfoto, Buchkritik, Thea Dorn, deutsch, nicht dumpf, InKulturA Eine Nation, die sich ihrer selbst nicht mehr sicher ist, die aus einem zwölf Jahre währenden Alptraum einen historischen Bruch konstruiert hat, der einen unüberbrückbaren Graben zwischen Vergangenheit und Gegenwart bildet und der die Kontinuität der Generationen zerstört hat, tut sich schwer mit Begriffen wie Volk, Heimat, Patriotismus und Vaterland.

Diese Unsicherheit auf der einen Seite des politischen Spektrums, dieser Selbsthass auf der anderen Seite, ist der Ausdruck eines tief sitzenden Unbehagens bezüglich dessen, was für eine Nation von existentieller Bedeutung ist, die Werte und Regeln, die Maßstäbe und Richtlinien, kurz, das kulturelle Bewusstsein eines Staates. Wie deutsch darf Deutschland, darf einer, „der schon länger hier lebt“ sein, ohne dass ihm das Prädikat dumm- oder dumpfdeutsch angeheftet wird?

Thea Dorn wagt sich mit ihrem „Leitfaden für aufgeklärte Patrioten“ auf dünnes Eis - und bricht darauf leider ein. Wer, wie die Autorin von und über Patriotismus schreibt und es sich mit beiden Lagern eines inzwischen diesbezüglich gespaltenen Landes nicht verscherzen will, muss einen intellektuellen Spagat unternehmen, der so richtig keiner Seite gerecht wird.

Warum nur drescht Dorn so vehement auf die Neuen Rechte um Götz Kubitschek ein, die sich, weit entfernt von dem ihr vorgeworfenen rückwärts gewandten Weltbild, doch bemüht, durch ihre metapolitischen Denkansätze neue, bessere und brauchbarere politischen Paradigmen zu schaffen als die Gegenwärtigen? Warum nur sind die Identitären, speziell Martin Sellner, für Dorn hart an nationalsozialistischen Winden segelnde Zeitgenossen, die jedoch in Wirklichkeit das verteidigen, was für das Selbstverständnis eines Volkes von eminenter Wichtigkeit ist – die eigene Identität? Warum die AfD als „trübes Sammelbecken“ beschimpfen, jedoch ausblendend, dass eine Vizepräsidentin des Deutschen Bundestages hinter einem Banner marschiert, auf dem der Spruch „Deutschland du mieses Stück Scheiße“ zu lesen ist?

Kein Zweifel, Thea Dorn hat mit gewohnt pointierter Diktion ein Buch geschrieben, das das Projekt „deutsch sein“ hauptsächlich im philosophisch-literarischen Kontext verortet. Ihre Gewährsmänner - ja ausschließlich Männer - sind bekannte und nicht mehr ganz so bekannte Namen aus der Kulturgeschichte Europas und damit erklärt sich auch die Zielgruppe des Buches. Es sind die von Dorn erhofften, ja geradezu herbeigesehnten Bildungsbürger, die einen „aufgeklärten“ Patriotismus mit Weltoffenheit, Toleranz, aber auch dem Mut, zur Verteidigung des Eigenen leben.

Das alles kann man unterschreiben, doch leider blendet die Autorin die große Gruppe derjenigen aus, die eben keine Bildungsbürger sind, jedoch das durchaus nicht dumpfe Gefühl haben, sukzessive ihr Land und ihre Heimat an den Einfluss einer Religion zu verlieren, die weder unsere Art zu leben noch die westlichen Werte wie Gleichheit der Geschlechter, sexuelle und religiöse Toleranz, geschweige denn die Demokratie akzeptiert und die bei der bald drohenden Überzahl von Menschen muslimischen Glaubens dieses System zugunsten der Scharia verändern wird.

Auch wenn Thea Dorn die Ängste dieser Menschen ausblendet, sind doch gerade sie es, die um Begriffe wie Patriotismus, Vaterland, Heimat und „deutsch sein“ ringen und die gleichzeitig das Gefühl haben, von den herrschenden Eliten im Stich gelassen zu werden, weil ihre berechtigten Sorgen bei diesen, gelinge gesagt, auf taube Ohren stoßen. Nicht jeder, der bei seiner Kritik an dem groß angelegten Menschenversuch etwas über das Ziel hinausschießt, ist gleich ein Dumpfdeutscher.




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Veröffentlicht am 23. September 2018