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Liebe, Geheimnisse, Einsamkeit und Verlust, das sind die Pole, um die sich die drei Kurzgeschichten immer wieder drehen und direkt zu der Frage führen, was das denn eigentlich für ein Ding ist, die Liebe, die so oft beschworen wird und doch für die meisten wohl immer ein Geheimnis, oder noch schlimmer, ein Desiderat bleibt.
„Trügerische Anziehung“, so der Titel des neuesten Romans des israelischen Schriftstellers Eshkol Nevo, besteht aus drei Teilen, die nur auf den ersten Blick nicht miteinander verbunden sind. In der Kurzgeschichte „Straße des Todes“ trifft ein Mann, der eine schwierige Scheidung hinter sich hat, auf einer Reise durch Bolivien ein junges Ehepaar und wird in ihre seltsam komplizierte Beziehung verwickelt, die schnell auf ein dramatisches Ende zusteuert.
In der Kurzgeschichte „Familiäre Vorbelastung“ erlebt ein älterer Arzt, der kürzlich seine geliebte Frau verloren hat, eine widersprüchliche Anziehungskraft zu einer jungen Assistenzärztin, die sich durch ein, so hat es den Anschein, inszeniertes Missverständnis seitens des älteren Kollegen und Vorgesetzten zu einer „MeToo“ Affäre entwickeln könnte, durch eine überraschende Entwicklung jedoch im Sande verläuft.
In der dritten Kurzgeschichte „Ein Mann tritt ins Paradies“ verschwindet der Ehemann der Hauptfigur, bei einem Spaziergang durch eine Obstplantage auf mysteriöse Weise Seine Frau muss nicht nur dieses rätselhafte Verschwinden aufklären, sondern auch versuchen, die Überreste ihrer Familie zu bewahren.
Eshkol Nevo umkreist in seinen drei Kurzgeschichten immer wieder die Frage, was uns an anderen Personen anzieht und was sie für uns faszinierend macht. Ist es, wie in der ersten Geschichte, der scheinbar erfrischende Gegensatz zu seiner geschiedenen Frau, der Omris Gefühle für Mor zu einer Welle der Begehrlichkeit macht und dabei seinen Blick für ihre inneren Widersprüche und Verwerfungen trübt?
Ist es, wie in der zweiten Geschichte, das kurze Aufblühen eines älteren, kurz vor der Rente stehenden Mannes zu einer weit jüngeren Frau und damit nur eine schmerzhafte Illusion, die zu fatalen Folgen führt?
Dass es, wie in der dritten Geschichte erzählt wird, während einer langen Ehe Geheimnisse des Partners gibt, die auf einmal ein ganz neues Licht auf die Beziehung werfen, muss Chelli erfahren, nachdem ihr Mann Ofer spurlos verschwunden ist und sie auf der Suche nach ihm mit schmerzhaften Tatsachen konfrontiert wird.
Es gibt, so könnte man Eshkol Nevos Geschichten interpretieren, keine Gewissheit, keine abschließende Wahrheit und das Gegenüber wird immer nur eine Projektionsfläche für die eigenen Befindlichkeiten, Wünsche und Sehnsüchte sein.
Meine Bewertung:
Veröffentlicht am 8. Juni 2024