Buchkritik -- Jan Costin Wagner -- Eismond

Umschlagfoto  -- Jan Costin Wagner  -- Eismond Der Tod seiner Frau Sanna stürzt den finnischen Kriminalpolizisten Kimmo Joenta in eine tiefe Sinnkrise. Zudem muß er auch noch in drei Mordfällen ermitteln, bei denen der Täter ein und dieselbe Person zu sein scheint. Ebenso unbegreiflich wie der Tod seiner jungen Frau ist für Joenta auch das Motiv, welches den Täter zu seinen Verbrechen treibt.

Jan Costin Wagner gelingt es in seinem Roman Eismond ein filigranes und vielschichtiges Buch zum Thema Sterben und Trauer zu schreiben. Nur am Rande ist dabei die Lösung des Falles wichtig, vielmehr legt der Autor seine Intention dahingehend, den psychologischen Prozess zu schildern, in dem beide, Täter und Ermittler stecken. Wagner legt dabei ein ausdrucksstarkes und psychologisch ausgeklügeltes Werk vor. Nur scheinbar stehen der Täter und Kimmo Joenta auf verschiedenen Seiten. In Wirklichkeit sind sie sich ähnlicher als es dem Ermittler lieb ist. Nicht die Suche nach dem Täter, der ist nach den ersten Seiten dem Leser schon bekannt, ist das Hauptmotiv dieses Romans, sondern die pessimistische Feststellung, daß das Leben den Tod immer schon in sich hat und zwangsläufig auf ihn zusteuert.

Joenta und der Täter sind extrem vielschichtige Persönlichkeiten und Wagner gelingt es beispielhaft, diese dem Leser näher zu bringen. Beide sind einsam. Der Täter ist es seit langem, der Ermittler erst nach dem Tod seiner Frau. Der große Reiz des Romans besteht in der Abwesenheit des Gut - Böse Schemas. Die Handlung fokussiert sich wesentlich in der Introspektion seiner beiden Hauptfiguren. Es ist einer dieser Kriminalromane, der, weitab von den üblichen Klischees, versucht, sich ernsthaft mit dem Thema Tod und Sterben zu beschäftigen. Er ist darum bemüht herauszufinden, was sich hinter den abstrakten Begriffen des Todes, des Verlustes und der Trauer befindet. Der Roman schafft eine beklemmende Realität, der sich kein Leser entziehen kann. Konfrontiert mit den Emotionen der beiden seelenverwandten Kontrahenten, findet derjenige, der sich auf das Wagnis Selbstreflektion einlässt, keine Ruhe mehr. Manche werden das Buch erschrocken beiseite legen, nicht weil sie es nicht interessant finden, sie werden einfach nicht dazu in der Lage sein, sich mit den darin deutlich angesprochenen Themen auseinanderzusetzen. Wer in naher Vergangenheit den Verlust eines geliebten Menschen zu beklagen hatte, dem sei vor der Lektüre abzuraten, zu deutlich spricht Wagner diese Tabuthemen an.

Stilistisch ausgefeilt und mit leiser Wortgewalt schreibt Jan Costin Wagner ein beklemmendes Psychogramm von zwei vom Tod berührten Menschen. Es ist kaum möglich sich diesen Figuren anders als mit vorsichtiger Neugier zu nähern. Zu sehr würde Sympathie mit dem einen oder anderen den Leser in die Situation führen, sich selber unangenehme Fragen stellen zu müssen, deren Antwort wir (noch) nicht hören wollen.

Das Buch ist weit mehr ein philosophisches Werk, als denn nur ein Kriminalroman, aber dem Autor gelingt es auf unnachahmliche Weise dies zu vereinen. Ist es nicht so, daß die beste Philosophie immer in guten Romanen steckt?




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