Buchkritik -- Sina Fontana -- Universelle Frauenrechte und islamisches Recht

Umschlagfoto, Buchkritik, Sina Fontana, Universelle Frauenrechte und islamisches Recht, InKulturA Es ist erstaunlich, welche intellektuellen Verrenkungen gemacht werden, um eine Kompatibilität zwischen dem Islam und der, den Prozess der Aufklärung durchgestandenen westlichen Welt zu konstruieren. Hat dieser, mit zum Teil blutigen Auseinandersetzungen, dazu geführt, den Einfluss der Religion auf die Politik zu eliminieren, den Staat zu säkularisieren und den Glauben ins Reich des Privaten zu verweisen, so ist derzeit eine verblüffende, die Errungenschaften eben dieser Aufklärung zur Disposition stellende Entwicklung zu konstatieren.

Der Islam ist, da er keine Trennung von Religion, Staat und Gesellschaft kennt, ein allumfassendes, ein monolithisches System, das sowohl politische, ethische und soziale Implikationen, Vorschriften und Handlungsanweisungen beinhaltet. Einmal von Gott, von Allah seinem Propheten Mohammed im 6. Jahrhundert unserer Zeitrechnung offenbart, beansprucht der Koran und die sich als religiöses Gesetz auf ihn beziehende Scharia einen gesellschaftlich-politischen Totalanspruch.

Wie nun sind jedoch universelle Rechte, z. B. Menschen- und Frauenrechte mit den auf der ewigen und unumstößlichen göttlichen Wahrheit basierenden Offenbarungen Allahs zu vereinbaren? Sina Fontana hat mit ihrer 2016 als Dissertation an der Universität Göttingen vorgelegten Untersuchung "Universelle Frauenrechte und islamisches Recht - Zur Umsetzung von Menschenrechten in einer islamisch geprägten Rechtsordnung" eine Analyse und Beurteilung vorgelegt, die, ich formuliere es dezent, denjenigen, der froh darüber ist, in einer säkularen Gesellschaft zu leben, mit Erstaunen und latenter Ratlosigkeit zurücklässt.

Die Autorin untersucht ausgewählte, islamisch geprägte Staaten auf die mögliche Umsetzung bzw. die Einbeziehung internationaler Menschenrechte in deren islamischen Rechtstraditionen. Methodisch steht die vorgelegte Dissertation ohne Frage auf hohem Niveau - wohl ein Grund für die Auszeichnung mit dem Fakultätspreis der Juristischen Gesellschaft zu Kassel – doch bleiben, abseits akademisch-juristischer Spitzfindigkeiten, sophistischer (Glaubens)Kunstgriffe und konjunktiver Wunschvorstellungen jede Menge Fragen offen.

So z. B. die, ob es gerade in Hinsicht auf international gültige Rechtsnormen zielführend ist, die in islamisch geprägten Ländern vorherrschende Rechtskultur der Scharia, also das "von Gott gegebene und ewig unveränderliche Wort" als eventuell vereinbar mit dem vom Menschen geschaffenen Recht zu betrachten. Recht, also Gesetz, und Religion passen genau sowenig zusammen, wie Feuer und Wasser. Die Berufung auf wie auch immer artikulierte Glaubenssätze als Maßstab judikativer Entscheidungen öffnet im Prinzip neuen Glaubenskriegen – in einem mit der islamischen Welt befindet sich der säkulare Westen bereits – Tor und Tür. Denn wer entscheidet darüber, welcher Gott, welcher Glauben der "einzig wahre" ist?

Die zahlreichen sog. Vorbehalte (im Prinzip ein Euphemismus für das "wir haben die Wahrheit auf unserer Seite") islamischer Länder in der Untersuchung von Fontana zeigen deutlich, dass eben "Die Umsetzung von Menschenrechten in einer islamisch geprägten Rechtsordnung" immer unter dem Primat der Erstgültigkeit der Scharia, der islamischen Rechtstradition zu stehen hat.

Es ist der Konjunktiv, von dem die Verfasserin bezüglich der Vereinbarkeit international gültigem Rechts und angewandter Scharia stets spricht, der einen, vom säkularen Prinzip, eben der Trennung von Religion und Staat überzeugten Menschen aufs höchste verwirrt. Die wichtige und sich unmittelbar daran anschließende Frage ist die danach, aus welchen Gründen sich Menschen, die alle Vorzüge einer freien Welt genossen haben und gerade als Frau höchstwahrscheinlich auch weiterhin genießen wollen, mit aller Macht die Scharia als möglicherweise für rechtskonform mit säkularem, vom Menschen geschaffenen Recht erklären?

Vielleicht, nur mal ein Tipp, hilft die Lektüre von Manal al-Sharifs bewegendem Buch "Losfahren", um den, in Fall Fontana, utopischen Konjunktiv zu verlassen und sich der islamischen Realität bewusst zu werden, die ja, so die von der Überlegenheit islamischer Werte, Normen und deren Allgemeingültigkeit überzeugten Anhänger der "einzig wahren Religion", als unveränderlich, weil von Gott, von Allah seinem Propheten geoffenbart wurde.

Eine Offenbarung im Jahr 610 als Grundlage einer möglichen Kompatibilität mit westlichem, von Menschen geschaffenem Recht? Solange das eine akademische, eine inneruniversitäre Sophisterei und dieses Biotop niemals verlassende Spielerei bleibt, meinetwegen. Man ist es ja gewohnt, das Steuergelder zweckentfremdet werden...




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Veröffentlicht am 28. Januar 2018