Buchkritik -- Franz-Ulrich Willeke -- Deutschland, Zahlmeister der EU

Umschlagfoto  -- Franz-Ulrich Willeke  --  Deutschland, Zahlmeister der EU Die Europäische Union - gelebte politische und wirtschaftliche Solidarität oder doch nur ein Euphemismus für nationale Egoismen auf Kosten anderer? Sind die finanziellen Verpflichtungen, genauer gesagt die finanziellen Lasten der Geberländer gerecht verteilt oder gibt es ein Leistungsgefälle? Wer trägt den größten Teil zur Finanzierung der EU- Ausgaben bei und wem gelingt es, sich vor den theoretischen Zahlungspflichten realiter zu drücken?

Franz-Ulrich Willeke kommt in seinem Buch Deutschland, Zahlmeister der EU zu dem für die Meisten wohl wenig überraschenden Ergebnis, dass es die Bundesrepublik ist, die den Löwenanteil der finanziellen Lastenverteilung übernommen hat. Der Autor untersucht die deutschen EU-Ausgaben seit der Wiedervereinigung und sein Ergebnis ist, zumindest für den fleißigen deutschen Steuerzahler eine herbe Ernüchterung.

Deutschland ist, im Vergleich zu anderen Nettozahlern wie z. B. Frankreich, Großbritannien oder Dänemark seit Jahren nicht nur Spitzenreiter bei der sog. nationalen Beiträgen, sondern gleichzeitig auch der Hauptzahler bei dem finanziellen Transfer der Nettozahler an die Nettoempfängern und, als wenn dies nicht bereits mehr als genug wäre, die Bundesrepublik übernimmt den Löwenanteil der Lastenverschiebung innerhalb der Nettozahlergruppe.

Sind diese drei Fakten allein bereits mehr als ausreichend, um ungeschminkt von der Rolle Deutschlands als "Melkkuh" der Europäischen Union sprechen zu können, zieht am politischen und finanziellen Horizont bereits die nächste, von Deutschland zu schulternde Bürde auf. Im Frühjahr 2010 wurde unter klarem Vertragsbruch die EU in eine Auffanggesellschaft für zahlungsunfähige Mitgliedsländer umstrukturiert. Mit Hilfe von "Rettungsschirmen" soll der Staatsbankrott von insolventen Ländern verhindert werden. Die Hauptlast trägt - unschwer zu erraten - wieder einmal die Bundesrepublik.

Der Autor belegt seine These von Deutschlands weit geöffnetem Portemonnaie mit umfangreichem statistischen Material. Ausgewiesen anhand harter finanzieller Fakten kommen noch nicht einmal deutsche Politiker daran vorbei zugeben zu müssen, dass die Bundesrepublik den Zahlmeister der Europäischen Union spielt. Deren Einwand, dass eben das größte und wirtschaftlich stärkste Mitglied auch den größten Anteil der finanziellen Lasten übernehmen muss, ist, wenn man die erfolgreichen Bemühungen anderer Staaten - Frankreich und Großbritannien - bei der Entlastung von Nettozahlungen betrachtet, mehr als ein Ausdruck von Unwissenheit.

Bei der Lektüre des Buches und der Statistiken kommt nicht nur Franz-Ulrich Willeke zu dem Schluss, dass sich - unwidersprochen seitens deutscher Politik - andere Nettozahlerländer auf Kosten Deutschlands von ihren finanziellen Verpflichtungen teilweise entbinden lassen. Die Differenz zwischen Zahlungspflicht und real geleisteten Beiträgen wird - zwangsläufig - von Deutschland übernommen. Die Politik der leeren Handtasche , einst von der britischen Premierministerin Margaret Thatcher mit dem legendären Satz "I want my money back" initiiert, hat sich inzwischen längst zu Ungunsten der Bundesrepublik etabliert.

"Beim Geld hört die Freundschaft auf", die Gültigkeit dieses Sprichworts kann man auf europäischer Ebene seit Jahren sehen, wenn es um die Verteilung der finanziellen Lasten der EU geht. Wurde bereits der Vertrag von Maastricht - Abschaffung der D-Mark und Entmachtung der Deutschen Bundesbank - nicht nur in bösen Pressekommentaren als "Versailler Vertrag ohne Krieg" bezeichnet, so steht jetzt durch die Übernahme des größten Teils der Haftung für die "Rettungsschirme" eine weitere Ausplünderung der deutschen Staatskasse bevor.

Franz-Ulrich Willeke zeigt eine Lösung auf, die dafür sorgen könnte, die bisherige ungleiche Verteilung der Nettobeiträge zu verhindern. Sie ist - zumindest auf dem Papier - unkompliziert und soll zu größerer finanzieller Gerechtigkeit führen. Die Frage ist jedoch, ob diese Lösung den Teilnehmern des bislang offiziell unerklärten Krieges gegen Deutschland in ihr politisches Kalkül passt. Das darf mit gutem Grund bezweifelt werden.

Dieses, die traurige Wahrheit über den fehlenden politischen Gestaltungswillen Deutschlands auf europäischer Ebene aussprechende Buch wird wohl keine Pflichtlektüre an den Schulen und Universitäten dieses Landes werden. Unseren Nachkommen hinterlassen wir eine Bürde, die in Zukunft für große Konflikte sorgen wird.




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