Buchkritik -- Peter Høeg -- Der Susan-Effekt

Umschlagfoto, Peter Høeg, Der Susan-Effekt, InKulturA Eine schräge Familie hat Susan Svendsen da um sich. Der Ehemann Laban ist ein berühmter Pianist, die Zwillinge Harald und Theit sind hochbegabt, weisen jedoch teilweise autistische Spuren auf. Da passt es gut, das auch die Mutter etwas außerhalb des normalen Rahmens steht. Ihr Beruf ist Experimentalphysikerin, ihre Berufung jedoch so etwas wie eine wandelnde Wahrheitsfindungskommission, denn sie hat die Gabe, Personen die sich in ihrer Nähe befinden, intimste Geheimnisse zu entlocken, sprich, die Menschen sagen einfach die Wahrheit. Klar, dass die dänische Polizei sich in der Vergangenheit gern der Dienste Susans bedient hat.

Jetzt allerdings steckt die Familie der besonderen Art in der Klemme. Allen vier drohen in Indien empfindliche Strafen, denn jeder ist auf seine Weise mit dem Gesetz oder den Mächtigen des Landes in Konflikt geraten. Nur die Bereitschaft Susans sich ein weiteres Mal in den Dienst der ermittelnden dänischen Behörden zu stellen, könnte für die Niederschlagung der Anklagen sorgen.

So irre ist diese verrückte Familie dann doch nicht, sich dieses einmalige Angebot entgehen zu lassen. So reisen alle zurück nach Dänemark und werden in eine haarsträubende Geschichte verwickelt, deren Ausmaß auch die mit nüchternem Verstand ausgestattete Susan erschüttert.

Peter Høeg hat mit "Der Susan-Effekt" wieder einen Roman geschrieben, der einmal mehr die Grenzen zwischen unfreiwilliger Komik und Entsetzen verschwimmen lässt. Susan Svendsen ist Realistin. Sie weiß "Europa ist eine Komfortzone. Wir leben in einem Kino, in dem auf allen vier Wänden Familienfilme gezeigt werden. Der Zusammenbruch gehört nicht der Zukunft an. Er hat schon angefangen." Die Nachforschungen, die Susan im Auftrag einer Regierungsbehörde unternimmt, bringen nicht nur ihre Familie in Lebensgefahr, sondern zeigen den drohenden, leider allerdings von Høeg nur am Rand thematisiert, Zusammenbruch der gesellschaftlichen Ordnung.

Dadurch bleibt der Roman in einem Schwebezustand, der weder dem Ernst der Lage noch den komplizierten Verhältnissen der chaotischen Familie gerecht wird. Natürlich sind die solitären Eskapaden der vier Svendsons stellvertretend für den Zerfall der Familie, der in der Regel der Auflösung der Gesellschaft vorangeht. Und doch kann sich der Autor nicht so recht entscheiden, zu welcher Seite seine Aufmerksamkeit tendieren soll. Deshalb bleibt der Roman ein etwas blutleeres Gemengelage aus Ironie, Sarkasmus und Zukunftsangst.

Gewiss, die Charaktere der Familie sind amüsant beschrieben und mehr als einmal staunt der Leser über den sezierenden Blick, mit dem Høeg das gelebte Chaos der Familie schildert. Und doch steht trotz allen gewiss zutreffenden Formulierungen die Frage im Raum, was der Roman sein will. Eine Warnung vor dem bevorstehenden Zusammenbruch der westlichen Gesellschaft oder einfach nur eine zweifelsohne gut zu lesende Krimiklamotte.




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Veröffentlicht am 22. August 2015