Buchkritik -- Rüdiger Safranski -- Hölderlin

Umschlagfoto, Buchkritik, Rüdiger Safranski, Hölderlin , InKulturA Ich gebe es zu: Friedrich Hölderlin verwehrt mir immer, wenn ich seine Werke lese, den Zugang. Seine Elegien, seine Hymnen, sein „Hyperion“ sind für mich nicht greifbar, nicht zu fassen und einfach nicht in meine Sprache, und das bedeutet hauptsächlich in mein Bewusstsein, zu übersetzen.

Was liegt da näher, als wieder einmal zu einer Biographie aus der Feder von Rüdiger Safranski zu greifen, der es versteht mit seinen Büchern, z. B. über Goethe, Schiller, Schopenhauer und Nietzsche, sowohl das Leben und das Werk, jeweils eingebunden in den historischen Kontext, eines Dichters oder Philosophen pointiert darzustellen.

Jetzt also der zu seiner Zeit verkannte Hölderlin, aus einer wohlhabenden schwäbischen Familie stammend, früh den Vater verloren und nach dem Willen der Mutter, die für seine dichterische Berufung keine Verständnis hatte, für einen „ehrbaren“ Beruf, Pfarrer, vorgesehen.

Im Tübinger Stift, die schwäbische Kaderschmiede für evangelische Geistliche, lernt er Hegel und Schelling kennen, freundet sich mit ihnen an, später hörte er in Jena Fichte und durch die Werke Spinozas machte er Bekanntschaft mit der Vorstellung einer sich in der Natur manifestierenden Göttlichkeit, eines alles durchdringenden Pantheismus. In seinen Werken versuchte er diesen mit dem „absolute Ich“ Fichtes zu vereinen.

All das beschreibt Safranski mit gewohnt brillanten Lässigkeit, die historischen Fakten immer im Fokus behaltend und nähert sich diesem ruhelosen Geist, der, wie zeitüblich, von der griechischen Antike beeinflusst, zu Lebzeiten fast unbeachtet, von der Nachwelt jedoch, auch das ein deutsches Künstlerschicksal, verkannt, verfälscht und wiederentdeckt wurde.

Nach einem geistigen Zusammenbruch, den nicht wenige in seiner Umgebung für eine „Maskerade“ hielten, wurde er in eine psychiatrische Klinik eingewiesen und anschließend von 1807 bis zu seinem Tod im Jahr 1843 vom Schreinermeister Zimmer – nach dessen Tod von 1838 Lotte Zimmer – in seinem Tübinger Turm gepflegt.

Hölderlin, ein komplexer aber ruheloser Geist, anfällig für „Himmelhoch jauchzend und zu Tode betrübt“, viel von den Deutschen verlangend, griechisches Wesen und französisches Revolutionstemperament, von seinen Zeitgenossen, bis auf wenige Ausnahmen nicht wahrgenommen, war eine tragische Figur.

Rüdiger Safranski zeigt die Höhen und Tiefen dieses Dichters, geht ausführlich auf dessen wichtigste Werke ein, und doch, auch nach der Lektüre ist mir Friedrich Hölderlin nicht näher gekommen. Das liegt aber, um es ganz deutlich zu sagen, nicht am Autor dieser Biographie, sondern daran, dass mir der Mythos Hölderlin und ganz besonders dessen, sein Werk bestimmender Weltzugang im Abstand von nunmehr 250 Jahren, nicht mehr möglich ist.




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Veröffentlicht am 24. April 2020