Buchkritik -- Clemens Meyer -- Im Stein

Umschlagfoto, Clemens Meyer, Im Stein, InKulturA "Aber die Leute denken und erzählen ja überhaupt jede Menge Unsinn, was das betrifft und was uns betrifft." So einer der ersten Sätze aus dem Roman "Im Stein" von Clemens Meyer. Es ist die Welt der käuflichen Liebe, die, der Autor beschreibt es minutiös, ein Gewerbe ist, das nach den üblichen Regeln des Kapitalismus - Angebot und Nachfrage regeln den Preis - handelt. Diese, in den Augen des saturierten Bürgertums, Halbwelt funktioniert nach genau den gleichen Mechanismen wie jeder andere Markt. Der Leser wird Zeuge eines Milieus, das sich nur vordergründig von dem der scheinbar sauberen Welt des Establishments unterscheidet.

Da monologisiert eine junge Prostituierte über sich um ihre Kunden - während des bezahlten Aktes. Da erfahren wir viel, viel zu viel, über das Zusammenspiel, manche mögen es Korruption nennen, zwischen Loddeln, Polizei und Justiz. Auch das Finanzamt macht sich so seine Gedanken, wie man aus dem horizontalen Gewerbe so viel Steuern wie möglich erhalten kann.

Da wird der Leser auch mit dem Innenleben der Großen des Gewerbes konfrontiert und, siehe da, das ist bedenklich normal. Auch der Zuhälter hat so seine Probleme. Da ist die Konkurrenz, die, mal hausgemacht, mal aus dem Ausland, nach den Pfründen der Alteingesessenen trachtet. Da ist die Familie oder die Lebenspartnerin, mit der es ganz normale Probleme gibt. Kurz gesagt, das Rotlichtmilieu hat auch seine ganz bürgerlich anmutenden Schwierigkeiten.

Clemens Meyer gelingt es, eine Stimmung darzustellen, die er im ganzen Roman aufrecht erhalten kann. Es ist eine latente Traurigkeit, die in den Zeilen des Roman zum Vorschein kommt. Es ist die Halbwelt, die sich überall Durchbruch verschafft. Da ist Nebel, da ist es kalt. Leere Bahnsteige auf denen Zuhälter stehen um sich mit "Kollegen" in ebenso tristen Wohnungen zu treffen. Da ist ein Polizist, der Stammkunde bei einer Protituierten ist, die sich bereits weit jenseits ihrer besten Tage befindet. All das bringt Meyer auf eine literarisch perfekte Weise zum Ausdruck.

Der Roman ist ein Versatzstück auf mehreren Ebenen. Oft monologisierend, selten im Dialog, lässt Meyer seine Figuren ihr Leben nüchtern und illusionslos schildern. Die Zeitebenen wechseln ebenso schnell wie die Personen und der aufmerksame Leser muss sich schon sehr bemühen, die Episoden, Personen und Zeiten richtig einzuordnen. Das ist keine leichte Herausforderung.

Wer sich jedoch darauf einlässt, der wird mit einem Roman belohnt, der es ermöglicht, tiefe Einblicke in ein Milieu zu erhalten, das sich ansonsten lieber bedeckt hält. Es ist keine schöne Welt, deren Zeuge der Leser wird. Aber, und auch das impliziert der Roman, jeder Markt, der auf Abhängigkeit beruht, ist weit davon entfernt, eine schöne Welt zu sein. Ist das nicht das gern verschwiegene Credo des Kapitalismus?




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