Buchkritik -- Martin van Creveld -- Kriegs-Kultur

Umschlagfoto  -- Martin van Creveld  --  Kriegs-Kultur Dass der Mensch ein zutiefst widersprüchliches Wesen ist, ist evident und bedarf eigentlich keiner Erwähnung mehr. Er will frei sein und braucht doch klare und harte Regeln. Er will der Natur möglichst nah sein und zerstört doch immer mehr von ihr. Er fürchtet den Krieg und ist doch fasziniert von ihm. Letzteres, das Verhältnis des Menschen zum Krieg, hat der führende Militärhistoriker der Gegenwart, Martin van Creveld zum Thema seiner großen Untersuchung über das Wesen des Krieges gemacht.

Kriegs-Kultur, so der Titel dieser umfangreichen Publikation, scheint auf den ersten Blick ein unlösbarer Widerspruch zu sein. Was könnte der große Zerstörer Krieg mit Kultur, mit Bewahrung und Erschaffung, mit Veredelung und Verfeinerung zu tun haben? Der Krieg ist, so stellt es van Creveld gleich zu Beginn seines Buches klar, mehr als nur das Mittel zu dem Zweck, einer Interessengruppe den Sieg über eine andere Interessengruppe zu gewährleisten. Damit stellt der Autor sich auch dem Satz von Clausewitz, dass der Krieg die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln sei, entgegen.

Eine der Grundkonstanten der menschlichen Psyche besteht in der Abgrenzung zwischen dem Eigenen und dem Fremden, zwischen dem Wir und den Anderen. In dieser Hinsicht wohnt der Kriegs-Kultur ein gestalterisches Moment inne. Innerhalb einer Gruppe, einer Nation, einer politischen Ideologie, oder wie man auch immer eine Vereinigung von Gleichgesinnten bezeichnen will, ist der Krieg, bzw. sind die Spielregeln, die er anhand von Uniformen, Rangabzeichen, Ehrenbezeigungen und Auszeichnungen aufstellt, nichts weniger als sinnstiftend.

Der Krieg selber, daran lässt van Creveld keinen Zweifel, ist verheerend und schrecklich. Und doch ist es historisch unbestritten, dass er zu allen Zeiten auf die daran Beteiligten eine große persönliche Wirkung ausgeübt hat. Liest man z. B. die Erinnerungen von Soldaten, die an Schlachten und Feldzügen beteiligt waren, so wird man gewahr, von welchen gewaltigen Eindrücken diese Männer, Offiziere und Mannschaften, berichteten. Man denke nur an den Jubel und die Begeisterung die in Deutschland anlässlich des Ausbruch des Ersten Weltkriegs herrschte und die damit verbundenen tausendfachen freiwilligen Meldungen zum Kriegsdienst.

Der Krieg ist und bleibt eine Domäne der Männlichkeit. Daran ändert auch die Tatsache, dass in "modernen" Armeen inzwischen auch Frauen ihren Dienst tun, nichts. Der Krieg als "großes Spiel", als "Spiel mit dem Tod", hat im Lauf der Geschichte nichts von seiner Faszination verloren. In der Literatur hat das Thema Krieg einen festen Platz. Die Filmindustrie und hier besonders die US-amerikanische in Hollywood weiß um die kassenfüllende Funktion von patriotisch aufgemachten Bildern und bedient damit, nicht nur in den USA, ein Millionenpublikum. Die Veranstalter von Militärmusikfestivals brauchen sich um den Absatz ihrer Eintrittskarten keinen Kopf machen, die Veranstaltungen sind stets ausverkauft. Der Handel mit Militaria bedient einen großen Adressatenkreis.

Der Krieg, bzw. der Kampf zwischen regulären Armeen besitzt Regeln, deren Missachtung oder Verletzung juristische Konsequenzen hat. Die Versorgung und Behandlung von Gefangenen ist ebenso geregelt, wie das Verhalten gegenüber Nichtkombattanten und der Zivilbevölkerung. Erst mit dem Auftreten asymmetrischer Kriegsführung und dem Terrorismus wurden diese Regeln bewusst verletzt.

Martin van Creveld lässt in seinem Buch Kriegs-Kultur einen großen Bogen militärischer Tradition und Militärgeschichte Revue passieren, um am Schluss die Frage zu beantworten, ob es möglich sein wird, in naher Zukunft den Krieg selber zu eliminieren. Seine Antwort dürfte denjenigen nicht gefallen, die sich bereits jetzt gerade in Deutschland politisch daran machen, militärische Strukturen aufzulösen und das Militärische unter Generalverdacht stellen.

Der Krieg ist und bleibt eine Konstante der menschlichen Psyche. Ohne den regelnden und ebenfalls sinnstiftenden Einfluss der Kriegs-Kultur besteht die Gefahr des gesellschaftlichen Zerfalls. Staaten oder Nationen, die nicht mehr dazu bereit sind, eine, wie auch immer geprägte Kultur des Krieges zu pflegen, denen droht im Falle einer militärischen Auseinandersetzung bestenfalls der Rückfall zu einer, wie van Creveld es nennt, "wilden Horde" ohne Disziplin und Zusammenhalt oder im schlimmsten Fall, zu einem Feminismus, der die Verteidigung bereits aufgegeben hat, weil er zum Kämpfen nicht mehr in der Lage ist. In welcher Lage Deutschland sich inzwischen befindet, das möge der Leser entscheiden.

Kriegs-Kultur von Martin van Creveld ist ein Buch, das weit über das vorherrschende und oberflächliche Bild vom Krieg hinausgeht. Es zeigt die vom modernen Menschen so gern verleugnete gestalterische Macht des Militärischen, ohne dessen Schrecken zu leugnen.




Meine Bewertung:Bewertung