Buchkritik -- Leena Parkkinen -- Nach dir, Max

Umschlagfoto  -- Leena Parkkinen  --  Nach dir, Max Zwei Seelen wohnen in einem Körper. Max Und Isaak sind siamesische Zwillinge. Sie teilen fast alles. Wenn es einen von ihnen juckt, kratzt sich der andere. Wenn einer auf die Toilette geht, muss der andere mit. Wenn einer von ihnen Sex hat, kann der andere sich nicht abwenden. Das gibt natürlich Zündstoff, solch eine mehr als enge Bruderbeziehung. Max, der Lebemann, der sich eher für die handfesten Dinge des Lebens interessiert und Issak, der sich lieber mit den geistigen Dingen beschäftigt, bilden ein lebhaftes, interessantes und oft gegensätzliches Paar.

Im Jahr 1899 in Deutschland geboren, werden sie früh von ihren Eltern aufs Land abgeschoben. Dort, bei ihrem mürrischen Großvater und ihrer Tante, erleben sie eine unbeschwerte Kindheit, die abrupt dadurch unterbrochen wird, dass sie ihre Tante an einen Zirkus verkauft. Das erweist sich jedoch in Folge als Glücksfall für die beiden, denn dadurch gelingt es ihnen die Welt kennenzulernen, was auf dem ländlichen Hof nicht möglich gewesen wäre.

Schnell machen sie in einer Zeit, die Menschen mit körperlichen Auffälligkeiten in Kuriositätenkabinetten zur Schau stellte, Karriere. Sie treten als Tänzer in Clubs und Varietés auf und bereisen zusammen mir anderen "Auffälligen" die Metropolen Europas. Selber sehen sie sich nicht als außergewöhnlich an, dann schon eher die Kinder, die zweiarmig und langweilig und außerdem Vater und Mutter haben. Überhaupt könnte das Verhältnis der beiden zu Frauen nicht unterschiedlicher sein. Max, der keine Gelegenheit zur "schnellen Nummer" auslässt und Issak, der sich nur einmal, und dann auch noch in die falsche Frau verliebt, bieten dem Leser ein Bild von der Zerrissenheit des Individuums und von der Mannigfaltigkeit der Möglichkeiten. Issak und Max sind in der beneidenswerten Situation, sich bei verschiedenen Alternativen für jeweils zwei davon zu entscheiden. Wer von den "Normalen" kann das schon?

Leena Parkkinen hat mit ihrem Buch Nach dir, Max ein Buch über das Anderssein geschrieben. Manchmal sensibel, manchmal derb und drastisch, beschreibt die finnische Autorin ein Leben jenseits dessen, was gewöhnlich unter Normalität verstanden wird. Es ist eine Welt mit eigenen Geschichten und besonderen Regeln, in der die Brüder und ihre Kollegen leben. Da wirkt eher das "normale" betrügerisch. Da erweisen sich die "Normalen" als Unzuverlässig. Mutter, Großvater, Tante und Iris, die Frau, in die sich Issak unglücklicherweise verliebt, verraten und verlassen die Zwillinge. Eine Heimat finden sie nur in den Garderoben und Hotelzimmern ihrer Tourneeorte.

Leena Parkkinen schreibt nicht über Freaks, sondern über eine andere Art der Wahrnehmung. Wer dazu gezwungen ist, beim urinieren seines Bruders immer dabeisein zu müssen oder wer nach dessen übermäßigen Alkoholgenuss Kopfschmerzen bekommt, der entwickelt zwangsläufig eine etwas andere Betrachtungsweise als der Rest der Welt.

Nach dir, Max ist ein sympathischer Roman über Außenseiter und ihre Welt, die oftmals mit mehr Solidarität daherkommt, als die der "Normalos".




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