Buchkritik -- Graham Lord -- Wir sehen und gezwungen, Ihnen mitzuteilen...

Umschlagfoto  --  Graham Lord  --  Wir sehen und gezwungen, Ihnen mitzuteilen... Kein Mitglied irgendeiner Berufsgruppe kann von sich behaupten, daß es unersetzlich ist. Rationalisierung, Shareholder-Value und andere Euphemismen verschleiern nur unzureichend die jedem drohende Arbeitslosigkeit. Aus Einzelschicksalen werden Familienschicksale, denn der Verlust des Arbeitsplatzes hat natürlich auch Auswirkungen auf die jeweiligen Familien. Was aber passiert denn wirklich, wenn die Fassade der Erwerbstätigkeit fällt und ein Mensch aus dem Erwerbsleben heraus freigesetzt wird?

Graham Lord, ein britischer Journalist, hat sich in seinem Roman Leider sehen wir uns gezwungen, Ihnen mitzuteilen... dieses Themas angenommen. Mit britischen Humor, aber auch mit dem notwendigen Ernst beschreibt er den Fall eines bislang erfolgreichen Managers, der aus Altersgründen aus seiner Firma gemobbt wird. Ein neues, junges Management setzt auf jüngere, billigere Arbeitskräfte und enläßt aus diesem Grund alle Mitarbeiter über 45 Jahren. Auch die Titelfigur, Peter Hallam, ist davon betroffen. Bislang erfolgreich, rechtschaffen, ehrlich, aber auch etwas langweilig, fühlt er sich auf einer Woge des Erfolgs getragen, die aber schon bald über ihm und seiner Familie zusammenbrechen soll.

Seine Bemühungen um die Verhinderung von weiteren Entlassungen von Kollegen, bringen ihn selber um seinen Arbeitsplatz. Zu stolz, um Arbeitslosenunterstützung zu beantragen und gefangen in der trügerischen Gewissheit, bald einen neuen Arbeitsplatz zu haben, verringern sich die finanziellen Mittel in einem atemberaubendem Tempo. Bald droht der Verlust seines Hauses und die Familie fällt auseinander. Seine Ehefrau verlässt ihn und Peter Hallam ist gezwungen, jeden Job anzunehmen um sein Überleben zu sichern.

Graham Lord zeichnet detailliert den Verfall einer britischen Mittelschichtsfamilie nach. Er zeigt aber auch die Probleme, die dem Einzelnen entstehen, wenn er sich ausschließlich über seine Tätigkeit definiert. Der Verlust des Arbeitsplatzes führt dann schnell zu einer generellen Sinnkrise. Beklemmend realistisch schilderd Lord den schleichenden Prozeß des zurückziehens von der Gesellschaft. Der finanzielle Mangel zwingt den Betroffenen zu einer Reduzierung seiner Kontakte, weil viele davon, wie Vereine etc. mit nicht unbeträchtlichen Geldausgaben verbunden sind. Am Ende bleibt nur die Einsamkeit des Betroffenen übrig.

Lord schreibt mit Humor, aber genau und aufmerksam. Der Leser kann sich immer in die Lage von Peter Hallam versetzen. Der Leser bemerkt jedoch auch die Unsicherheit des Autors am Schluß des Romans. Lord ist sich nicht sicher, wie er ihn gestalten soll und der Leser merkt dies auch. Ist die Rache des Peter Hallam an den Verursachern seiner Arbeitslosigkeit noch halbwegs nachzuvollziehen, so ist doch sein Zögern über den angebotenen neuen Job, der der alte ist, doch nicht überzeugend. Fühlt er sich jetzt selber zu alt dafür oder will er nicht mehr den täglichen Kampf aufnehmen? Der Leser muß sich diese Frage selber beantworten.

Trotz des etwas mißlungenen Endes ist der Roman überaus lesenswert, denn er vermittelt die inneren Eindrücke eines von Arbeits- und Sinnlosigkeit befallenen Menschen.




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