Buchkritik -- Maaria Päivinen -- Bin hungrig, bin durstig

Umschlagfoto, Maaria Päivinen, Bin hungrig, bin durstig, InKulturA Emilie, eine 33-jährige Mathematiklehrerin in Helsinki, erlebt das Scheitern ihrer Beziehung zu dem Deutschen, den der Leser nur als "Herr Blumen" kennenlernt, als persönliche Niederlage. Sie, eine Person mit vielen Facetten, von denen einige ihr Leben nicht unbedingt einfacher machen, ist hin- und hergerissen zwischen Wut, Trauer und Verzweiflung.

Glich ihr Leben bis dahin bereits einem im Sturm schwankenden Schiff, so gerät es durch die Trennung von "Herr Blumen" vollends aus dem Gleichgewicht. Dabei wird schnell klar, dass sie ihren Freund eigentlich gar nicht richtig kannte, weder seine berufliche Tätigkeit, noch die ihn bestimmenden Gedanken und Gefühle. Der Leser erfährt schnell, dass die Beziehung der beiden eher eine Zweckgemeinschaft gegen die Einsamkeit gewesen ist, als eine funktionierende Paarbeziehung.

Nach der für Emilie überraschenden Trennung, die sie zwar in ihren Überlegungen stets vollzieht, realiter doch niemals in die Tat umgesetzt hätte, beginnt sie, sich für die Person "Herr Blumen" zu interessieren. Als sie seine zurück gelassenen Dinge untersucht, stellt sie fest, dass ihr ehemaliger Partner seinen Lebensunterhalt als Zuhälter für männliche Prostituierte verdient hat. Emilie, ohnehin längst genervt von Beruf und Privatleben, beschließt es ihm gleichzutun und steigt ebenfalls ins Rotlicht-Gewerbe ein. Fortan vermittelt sie unter dem Pseudonym "E" in verschiedenen Ländern Männer an zahlungsfreudige und stets spezielle Dienste suchende Frauen.

"Bin hungrig, bin durstig" von Maaria Päivinen ist ein Roman, der mit stets deutlicher Sprache das Herrschaftsverhältnis zwischen Männer und Frauen umkehrt. Mit Hilfe teils drastischer Bilder spiegelt die Autorin die aus materiellen Gründen resultierende Abhängigkeit von weiblichen Prostituierten und ihren männlichen Kunden, wechselt gleichsam die Perspektive und lässt die immer dominanten Kundinnen endlich das erhalten, was sie im normalen Leben niemals bekommen würden.

Es ist ein Werk über Gewalt und Herrschaftsphantasien, die, im alltäglichen Lebens stets unter dem Firnis der Zivilisation verborgen, sich ausschließlich in sexuellen Handlungen offenbaren können. So ist die Person Emilie eine im realen Leben eher zurück gezogen lebende Frau, die ihre Konflikte mit der Schulleiterin und ihrem Nachbarn nur auf einer gedanklichen, stets gewalttätigen Weise lösen kann. Dagegen ist ihr Alter Ego "E" eine vitale, eine vor Kraft strotzende Person, die sich die Welt, das heißt in dessen Fall die Männer, unterwirft.

Emilie muss, will sie die beiden Ebenen ihres Lebens miteinander versöhnen, einen radikalen Wechsel ihrer Perspektive vornehmen. Aber, so schreibt es Maaria Päivinen in einem der letzten Sätze des Romans, "Nirgendwo fand sie Frieden, gab es ihn nirgends" und so steuert sie folgerichtig auf die stets latent vorhandene Möglichkeit der Katastrophe zu.

"Bin hungrig, bin durstig" ist ein aufwühlender, manchmal verstörender Roman, der sich vor allem durch seine, die Mechanismen der Geschlechterbeziehungen sezierende Sprache auszeichnet.




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 27. Dezember 2015