Buchkritik -- Alistair MacLeod -- Die Insel

Umschlagfoto  -- Alistair MacLeod  --  Die Insel Tradition und Neues, Bleibendes und Veränderung, Liebe und Hoffnungslosigkeit, das sind die Agenzien in den Erzählungen von Alistair MacLeod. Der kanadische Schriftsteller gibt in dem Buch Die Insel einen Querschnitt seines Schaffens aus fast vierzig Jahren. Seine handelnden Personen sind wie er selber Bewohner von Cape Breton. Die meisten von ihnen sind die Nachfahren schottischer Auswanderer. Ihr Haupterwerbszweig ist der Fischfang und die Arbeit in den Kohlebergwerken.

MacLeod beschreibt in seinen Erzähungen das Leben und die Kämpfe ums Überleben. Während der kurzen Sommermonate bietet der Fischfang die einzige Erwerbsquelle. In den langen Wintermonaten gibt es entweder im Bergbau oder in der Holzwirtschaft Arbeit. Das Leben ist mühsam und unsicher. Die Existenz ist immer gefährdet durch Unfälle und Tod. Dementsprechend sind die Menschen. Wortkarg, manchmal stur, aber immer um die Nöte des Lebens wissend.

Die Jüngeren ziehen wenn möglich weit fort in die großen Städte, um dort ihr Geld einfacher zu verdienen. Zurück bleiben nur die Alten und diejenigen der jüngeren, denen es nicht gelungen ist, mit den Traditionen zu brechen, oder die unfähig dazu waren, sich rechtzeitig von den Eltern abzunabeln. Der Generationenkonflikt spielt in den Geschichten von MacLeod keine unbedeutende Rolle, sehen die jüngeren doch deutlich, daß es für sie auf Cape Breton keine Zukunft mehr gibt.

Viele seiner Erzählungen handeln buchstäblich von den letzten Alten einer Familie. In "Die Straße nach Rankin`s Point" ist es eine alte, blinde Frau, die sich standhaft weigert aus ihren alten, verfallenen Haus weg, in ein Altersheim, zu ziehen. In "Die Suche nach Vollkommenheit" ist es ein alter Mann, der es ablehnt, sich den Gepflogenheiten des Zeitgeistes zu unterwerfen. "Die Insel" beschreibt das Leben einer Frau, die ihre erste große Liebe verloren hat und sie erst viele, viele Jahre später in ihrem Enkelsohn wiedererkennt.

MacLeod erzählt von diesen unbeugsamen und einsamen Menschen denen nichts geblieben ist, als ihr eigenes Leben. Unbeeindruckt von den Verwerfungen der modernen Zeit leben sie fast wie in einem eigenen Universum. Es gibt eine fast schmerzhafz zu spürende Distanz zwischen ihnen und ihren Kindern. Stumme Vorwürfe an die Nachfahren, aber auch der Anflug der Erkenntnis, daß mit dem Ende des eigenen Lebens auch das Ende einer Epoche kommen wird. Dieses Wissen macht aus seinen Figuren anachronistische, aber stolze Menschen.

Unaufdringlich, aber intensiv beschreibt MacLeod das harte Leben der Menschen auf Cape Breton. Der Leser wird gerade deshalb gefangen sein von der sanften Sprachgewalt der Autors. Er läßt eindringliche Bilder vor den Augen seiner Leser vorüberziehen, die dafür sorgen, daß ein ungeheurer Respekt vor dem Leben und den Leistungen der Figuren entsteht. Kaum jemand von den Lesern würde wohl gerne mit ihnen getauscht haben, doch sie verdienen unsere Anerkennung. Wenn es Bücher für bestimmte Jahreszeiten gibt, dann ist dieses auf alle Fälle eines für die stillen, dunklen Tage des Winters.




Meine Bewertung:Bewertung