Buchkritik -- Janko Kozmus -- Der Schatten des Marabouts

Umschlagfoto  -- Janko Kozmus  --  Der Schatten des Marabouts Die literarische Form des Romans als utopischer Gesellschaftsentwurf hat eine lange Tradition. Plato, Bacon, Campanella, sogar Marx und viele andere kann man in dieser Linie sehen. War es in der Vergangenheit eher das Positive, das unerreichbar Gute, welches die Intention des jeweiligen Autors gewesen war, so ist mit dem Beginn der Moderne eine tragische, eine sogar destruktive Tendenz zu sehen. Nicht mehr die Perfektion des Menschen steht von nun an im Vordergrund, sondern die Möglichkeit und das letztendliche Scheitern der Spezies Mensch an ihren eigenen Fähigkeiten. Utopie als Endzeitdrama hat also Konjunktur.

Janko Kozmus setzt mit seinem Erstlingswerk "Der Schatten des Marabouts" diese Traditon fort. In einer vielleicht nicht allzufernen Zukunft exitiert zivilisiertes Leben nur noch unter Energiekuppeln. Abgeschlossen von der feindlichen Umwelt leben die Menschen in einem scheinbaren Paradies. Krankheiten und Hunger, Krieg und Verbrechen scheinen verschwunden zu sein. Auf den ersten Blick eine ideale Gesellschaft. Doch bald werden Risse im gesellschaftlichen Gefüge sichtbar.

Anläßlich eines periodischen Festes wird die Energiekuppel geöffnet. Was bis dahin ein traditionelles Ritual gewesen war, entwickelt sich jetzt für einige Inhabitanten der künstlichen Sphäre zu einer Gelegenheit der Reflektion des eigenen Daseins und der kritischen Distanz zur gegenwärtigen gesellschaftlichen Situation in der künstlichen Umwelt. Bis dahin ausgestorben geglaubte Delphine schwimmen im Wasser, viele Inhabitanten nehmen an der Zeremonie ohne die obligatorischen Atemmasken teil, eine Frau reflektiert die Vergangenheit. All das zeigt eine Gesellschaft im Umbruch. Es ist zwar nirgendwo ein direkter Zwang zu spüren- politische Parolen fehlen ebenso wie die vordergründige Anwesenheit von Diktatur und Macht- und doch ist diese Gesellschaft die Janko Kozmus schildert, auf eine merkwürdige Art steril. Im Lauf des Romans wird deutlich, das es mehrere dieser künstlichen Sphären gibt. Kommunikation zwischen ihnen ist selten und wird mit untergründigem Mißtrauen geführt.

Janko Kozmus schildert eine Zukunft ohne Natur und ohne Freude. Etikette und Schein bestimmen den Alltag der Menschen. Sogar die Fähigkeit zur sexuellen Aktivität scheint verschwunden zu sein. Man kann Kinder adoptieren, doch niemand scheint zu wissen woher sie kommen. Auf einmal bricht mit Macht die äußere Umwelt in die Sphäre ein. Überraschung und Chaos machen sich breit. Verloren geglaubte Erinnerungen tauchen auf und einige Menschen beginne sich zu fragen, was oder wer hinter dieser Anlage steht.

"Der Schatten des Marabouts" ist ein brillanter und bedrückender Roman. Die Endzeit ist vielleicht gar nicht mehr so weit entfernt. Parallelen zu unserer Gesellschaft sind schnell zu ziehen. Die Industrienationen, aber noch mehr die sog. Schwellenländer sind dabei die Resourcen des Planeten zu verbrauchen. Die westliche Zivilisation amüsiert sich zu Tode. Leere Formeln und abstrakte Rituale werden zelebriert, ohne die Bedeutung zu kennen oder sie überhaupt kennenlernen zu wollen.

Janko Kozmus gelingt es auf wunderbare Weise diese Geschichte in einer spannungsvollen Schwebe zu lassen. Einerseits fasziniert dieser gesellschaftliche Entwurf, andererseits aber bekommt der Leser den Eindruck eines im Sterben liegenden Organismus. Ritual und Realität stehen sich diametral entgegen. Gibt es Hoffnung auf Besserung? Einige wenige haben eine Ahnung dessen, was gewesen ist und was wieder sein könnte. Doch die Masse scheint orientierungslos zu sein. Das adoptierte Kind scheint ein Hoffnungsträger zu sein, doch die Kommunikation zwischen ihm und seine neuen Eltern ist schwierig bis unmöglich.

Den Schluß des Romans macht der Autor seinen Lesern jedenfalls nicht leicht. Es tritt eine Wende ein, mit der niemand gerechnet hat, niemand rechen konnte. Bravo!

Mein Tip: Kaufen, lesen und weitergeben.




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