Buchkritik -- Marco Wehr -- Der Schmetterlingsdefekt

Umschlagfoto  -- Marco Wehr  --  Der Schmetterlingsdefekt Der Schmetterlingseffekt und das fraktale Apfelmännchen sind die wohl bekanntesten Sinnbilder der Chaostheorie. Diese Theorie steht seit Jahren in der Hitliste der populären Wissenschaften ganz weit oben. Egal ob Meteorologie, Wirtschaftswissenschaft, Soziologie oder gar Humanmedizin, überall sind die wissenschaftlichen und ideologischen Implikationen der Chaostheorie zu spüren. Kann wirklich der Flügelschlag eines Schmetterlings in Asien ein Unwetter an der Westküste der USA auslösen? Gestalten sich unsere Denkprozesse chaotisch oder unterliegen die Gesetze der Population ihrem Einfluß?

Marco Wehr, Physiker und Philosoph, ist dieser Frage nachgegangen. Sein Urteil ist vernichtend. Für ihn ist die Chaostheorie weder experimentell ausreichend nachgewiesen, noch ist sie frei von inneren Widersprüchen. Sie ist in erster Linie ein Tummelplatz für miteinander vermischte, aber nichtsdestoweniger unzusammenhängende Theorien. Der Forderung nach einem immer wieder mit den gleichen Ergebnissen zu erzielendem Experiment kann sie nicht nachkommen. Vielmehr stellt sich die Chaosforschung selber dar als ein ungeordneter Haufen von unbewiesenen Theorien welche den Versuch unternimmt, mit Hilfe von quantitativer Häufung von Bezügen zur Realität den fehlenden qualitativen Aspekt einer in sich schlüssigen Theorie zu verschleiern. In einigen Bereichen der Wissenschaft ist es ihr zwar gelungen strukturelle Ähnlichkeiten nachzuweisen, doch eine Sensation ist sie wegen ihrer vielen Mängel beileibe nicht.

Fern von allen populärwissenschaftlichen Werken ist dieses Buch von Marco Wehr Wissenschaftskritik im eigentlichen Sinn. Neben der Kritik an einer wissenschaftlichen Theorie ist es auch ein Buch darüber, wie Forschung gemacht wird, bzw. wie die Fundamente beschaffen sein müßen, damit eine Theorie qualifizierbare Ergebnisse nachweisen kann. Welche Methoden können angewendet werden und von welchen sollte der Wissenschaftler besser Abstand nehmen? Wie müßen die Grundlagen beschaffen sein, um einwandfreie Ergebnisse erzielen zu könen?

Diesen überaus interessanten Fragen geht der Autor mit Hilfe seiner Kritik an der Chaostheorie auf den Grund. Physikalische Realität und wissenschaftliche Beschreibung liegen oft weiter auseinander als man gemeinhin denken sollte. Sogar die benutzten Computersimulationen sind bei weitem nicht so präzise wie sie es sein sollten - ihre Ergebnisse sind abhängig von der verwendeten Programmiersprache.

Dieses Buch ist durchaus spannend geschrieben und seine Aussagen können auch von einem wissenschaftlichen Laien nachvollzogen werden. Wer sich allerdings direkt mit der Theoriekritik auseinandersetzen will, der sollte allendings über fundierte mathematischen Kenntnisse verfügen. Das tut jedoch dem sehr guten Gesamteindruck dieses Werkes keinen Abbruch.




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