Buchkritik -- José Antonio Marina -- Lob der Intelligenz

Umschlagfoto  -- José Antonio Marina  --  Lob der Intelligenz "Mit der Dummheit kämpfen Götter selbst vergebens", dieses Zitat aus dem Drama »Die Jungfrau von Orleans« (III, 6) von Schiller steht stellvertretend für den nahezu aussichtslosen Kampf gegen das Scheitern der Intelligenz. Fanatismus, Intoleranz, religiöse und politische Verblendung, aber auch das Versagen und Misslingen im alltäglichen Leben sind der Dummheit geschuldet.

José Antonio Marina hat sich in seinem Buch Lob der Intelligenz oder Die Überwindung der Dummheit das ehrgeizige Ziel gesetzt, Gründe für dieses Scheitern zu finden. Der spanische Philosoph hält, was stark zu bezweifeln ist, die Dummheit für überwindbar.

Warum, so fragt Marina, versagen ansonsten intelligente Menschen bei der Bewältigung von banalen Problemen. Sie scheitern auf vierfache Weise. Kognitiv und emotional, aber auch sprachlich und durch das Versagen der intelligent gesteuerten Motivation, sprich des Willens. Die Dummheit, oder das Versagen der operativen Intelligenz, zeigt sich in der Diskrepanz zwischen bewußt wahrgenommener Realität und objektivem Sachverhalt. Vorurteile, Denkhemmungen und Borniertheit führen zu Fehlurteilen und damit zum Scheitern. Soweit Marina.

Was der Autor sprachlich elegant und intellektuell anschmiegsam ausführt und mit Zitaten aus Werken von philosophischen, psychologischen und neurophysiologischen Fachautoren belegt - am meisten jedoch zitiert er aus seinen eigenen Werken - hört sich interessant an, hinterläßt beim Leser jedoch einen unbefriedigten Eindruck. Nicht wirklich philosophisch, nicht wirklich psychologisch, liegt das Buch irgendwo zwischen Lebenshilfe und charmanter Plauderei. Die Lektüre ist ohne Zweifel angenehm und die von Marina angeführten Beispiele aktiven Scheiterns sind mal tragisch, mal komisch, doch zeigen sie nur, wie weit gespannt die Sphäre der angewandten Dummheit ist und daß sie mit Sicherheit jeden von uns treffen wird.

Zugegeben, es ist ein schwieriges Terrain, auf das sich Marina begeben hat. Seit Beginn der menschlichen Zivilisation wird über die Dummheit Klage geführt. Handeln wider besseres Wissen, vermeidbare Irrtümer, Diktaturen und menschenverachtende Herrschaftsformen begleiteten den Menschen während seiner gesamten Entwicklung. Dummheit scheint ein konstituierender Faktor in der menschlichen Psyche zu sein und damit wohl ein ausschlaggebender Bestandteil der Evolution. Wenn dem so sein sollte, dann liegt der Autor mit seinem Optimismus, daß es eines Tages in einer fernen Zukunft gelingen wird, die Dummheit zu eliminieren, ziemlich falsch.

Einen entscheidenden Punkt behandelt Marina leider nur sehr kurz. Er behandelt den Zusammenhang zwischen der Freiheit des Individuums und der daraus resultierenden Malaise der Dummheit zu oberflächlich. Hier, im diesem nahezu unlösbaren Antagonismus, liegt der Kern des Problems. Bei allem Respekt vor dem Autor, zur Überwindung der Dummheit hat er wenig beigetragen.




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