Buchkritik -- Alexander Strauß/Michael Grandt -- Das Merkel-Attentat

Umschlagfoto, Buchkritik, Alexander Strauß, Michael Grandt, Das Merkel-Attentat, InKulturA Zugegeben, ich stehe auf „Was wäre, wenn...“ Szenarien. Gedankenspiele, die, mit aktuellen politischen Zuständen kombiniert, eine mögliche Gegenwelt in einem von der herrschenden Königin als „alternativlos“ bezeichneten Universum darstellen. Doch, und das wird dem Leser schnell klar, ist es nicht die Absicht des Autorenteams Grandt/Strauß die möglichen Folgen, die politischen und wirtschaftlichen Auswirkungen und die gesellschaftliche Unruhe, die von einem erfolgreichen Attentat auf die Bundeskanzlerin ausgelöst würden, zu beschreiben, sondern vielmehr die fiktive Frage nach dem, „was wäre, wenn“ ein Bürger einen Zustand X erreicht hat, in dem die von Politik und Ökonomie so gern ins Feld geführten Sachzwänge ihm scheinbar keinen anderen Ausweg mehr lassen, als zu terroristischen Methoden zu greifen, um zumindest einen Kopf der Hydra, die er für sein individuelles Scheitern mitverantwortlich macht, abzuschlagen.

Alexander Strauß und Michael Grandt haben einen provozierenden Roman veröffentlicht, der, weil er sowohl Verlagen als auch Selfpublishing-Plattformen als „zu heiß“ erschien, im Selbstverlag herausgebracht werden musste. In der Tat ist es ein verstörendes Werk, weil es mit dem Tabu, keinen lebenden Politiker, zumal einen deutschen, als Ziel eines Anschlags darzustellen, bricht. Zwar ist es durchaus opportun in den Öffentlich-Rechtlichen-Verdummung, unkritisiert von sonst schnell erregbaren Kreisen, über ein Attentat auf den amtierenden Präsidenten der USA zu schwadronieren, doch ein Anschlag auf die Königin von Deutschland, die GröKaZ, ist undenkbar.

Charly befindet sich auf dem Weg ins soziale Abseits. Als gelernter Facharbeiter wird er das Opfer der Globalisierung, genauer gesagt, der kapitalistischen Profitmaximierung, denn sein Arbeitsplatz und sein Wissen wird ins kostengünstigere Ausland verlegt. Outsourcing als Mantra der globalen Player.

Parallel zu seinem Fall ins gesellschaftliche Nichts stellt er mit Befremden die stetige Veränderung seiner unmittelbaren Lebenswelt fest. Seit 2015 ist in Deutschland nichts mehr so, wie Charly es gewohnt war. Der Zustrom von vorwiegend jungen und muslimischen Männern, die sich offen gegen die westlichen Werte, in der Regel durch Gewalttaten, aussprechen, führt zu dramatischen Veränderungen des Sicherheitsgefühls der Bürger.

Nun ist Charly, ich formuliere es etwas salopp, nicht die hellste Kerze auf der Torte, und damit wird er ein leichtes Opfer für Tom, einen ehemaligen Bundeswehrsoldaten, der während seines Einsatzes in Afghanistan zum Invaliden wurde. Verbittert über sein Schicksal, schmiedet er einen Plan, um sich an der Bundeskanzlerin, die er dafür verantwortlich macht, zu rächen.

Starker Tobak? Nicht unbedingt. Charly könnte auch Stefan, Paul oder Christian heißen. Viele befinden sich, ähnlich wie er, auf einem rasanten Weg nach unten. Desto mehr muss es ihm sauer aufstoßen, dass er als ehemaliger gut bezahlter Facharbeiter jetzt als Gabelstaplerfahrer einen prekären Arbeitsplatz besitzt, der gerade mal das tägliche Überleben mehr oder weniger sichert. Die Teilhabe am gesellschaftlichen Leben, die doch jeder Politiker, Kirchenmann oder Gewerkschafter so vehement fordert, ist mit diesem Minimum jedenfalls nicht zu realisieren. Als Charly auf einer Dating-Plattform Lara kennenlernt und deren, im Roman freilich stark überzeichneten Ansprüchen nicht gerecht wird, trifft er die fatale Entscheidung, sich an Tom`s Attentatsplan zu beteiligen.

Terror als letztes Mittel eines sich von Politikern nicht wahrgenommen gefühlten Bürgers? Könnte das, was in diesem Roman noch eine literarische Fiktion ist, eines Tages Realität werden? Eines ist klar, sollte dieses oder ein ähnliches Szenario tatsächlich geschehen, dann trägt die aktuelle Politik ein gewaltiges Maß an Mitschuld. Jeder Bürger und jede Bürgerin unseres Landes kann nur hoffen, dass die Verantwortlichen ihren derzeitigen Kurs ändern. Doch dazu müssten sich die Menschen dazu aufraffen, mit ihren tradierten Wahlgewohnheiten zu brechen. Dafür fehlt den Menschen, denen man seit Jahren aufoktroyiert hat, dass die Politik es schon richten wird, allerdings der Mut – oder fehlt etwa doch der Verstand?

Charly handelt jedenfalls, doch er muss feststellen, dass er anders in die Geschichte eingehen wird, als er es gehofft hat. „Das Merkel-Attentat“ ist ein kurzer, aber polarisierender Roman. Kein Wunder, das etablierte Verlage Muffensausen vor der Veröffentlichung hatten.




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Veröffentlicht am 13. April 2019