Buchkritik -- Jean Orieux -- Talleyrand

Umschlagfoto  -- Jean Orieux  --  Talleyrand Buchkritik bewegt sich zwischen den beiden Spannungspunkten des Respekts vor dem Autor und seinem Werk einerseits, und der berechtigten Kritik daran. Es muß dem Kritiker möglich sein, trotz aller, manchmal durchaus scharfen, Kritik sachlich zu bleiben und mit dem ehrlichen Respekt vor der Leistung des Autors sein Buch, in dem ja nicht selten Jahre der Arbeit stecken, zu beurteilen.

Da Buch von Jean Orieux über Talleyrand ist so ein Werk, welches das ganze Wohlwollen des Kritikers benötigt. Monumental kommt es auf 777 Seiten daher. Man merkt Orieux an, das seine ganze Sympathie auf seiten des Charles-Maurice von Talleyrand-Perigord liegt. Der Stil, in dem diese Biographie geschrieben ist, passt so gar nicht in die heutige Zeit. Sie ist alles andere als objektiv und daraus resultiert die Frage, ob und wie eine Biographie überhaupt "objektiv" sein kann. Ist es nicht notwendig, das ein Autor eine, wie auch immer, ausgeprägte Vorliebe, oder auch Abneigung gegenüber seinem Subjekt haben muß, um die Person, über die er schreibt vor den Augen des Lesers lebendig werden zu lassen?

Nun, Orieux tut des guten zuviel. Er erweckt den Anschein, als wäre er dabeigewesen, als würde er Talleyrand persönlich gekannt haben. Er schreibt in einem Stil über sein "Subjekt", als, (man verzeihe mir diesen, von meiner Urgroßmutter bei einer "unschicklichen" Übertretung der Intimsphäre oft benutzten Ausdruck), hätte er "Schweine mit ihm zusammen gehütet". Talleyrand ist "Groß", er ist "geschmackvoll", er "tat alles nur zum Wohle Frankreichs". Natürlich hat auch er sich seine Taschen prall gefüllt, aber doch nur "in dem Rahmen, in dem es alle in dieser Zeit taten". Er war der "erste, der die wahren Absichten Napoleons erkannte" und er, der drei, eigentlich vier verschiedene Regierungssysteme, nämlich die Monarchie, das Direktorat, die napoleonische Ära und die Restauration überlebte, tat "alles nur für Frankreich".

Trotz der Verzerrung durch die große Sympathie, die Orieux Talleyrand gegenüber beweist, ist dieses Werk doch so verfehlt nicht. Der aufmerksame Leser bekommt einen genauen Einblick in die allzu menschlíchen Beweggründe der jeweils herrschenden Klasse. Besonders gegen Ende der napoleonischen Herrschaft warim wesentlichen kein Unterschied zur Monarchie zu bemerken.

Insofern ist dieses Buch von Orieux, das immerhin schon 1970 erschien, auch eine Parabel auf das Verhältnis von Reform- und Konservativpolitischen Menschen. Wer das Buch mit heute existierenden Verhältnissen vergleicht, wird erstaunliche Parallelen sehen.




Meine Bewertung:Bewertung