Buchkritik -- Richard David Precht -- Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens

Umschlagfoto, Buchkritik, Richard David Precht, Künstliche Intelligenz und der Sinn des Lebens, InKulturA Wie soll man ein Buch bewerten, dessen Autor bereits im Vorwort deutlich macht, dass er das, was sein Thema Nummer eins ist, Künstliche Intelligenz, überhaupt nicht beschreiben, erklären und wissenschaftlich untersuchen will und sein Thema Nummer zwei, der Sinn des Lebens, überhaupt nicht angesprochen wird?

Richard David Precht, wie ein Rezensent es etwas despektierlich formulierte, ein Philosoph der Bahnhofsbuchhandlungen, einer der dem Zeitgeist auf der Spur ist, doch ihm leider meist hinterherläuft, hat sich jetzt eines Themas bemächtigt, das genauso schillernd wie abgegriffen ist, denn der Traum von einer Künstlichen Intelligenz, einer maschinellen Version menschlichen Denkens, von Gefühlen ganz zu schweigen, ist eben genau das, ein Traum. Ein Traum, vielleicht eine Vision, auf alle Fälle aber das Spielfeld von Menschen, die sich weigern erwachsen zu werden und ihren eigenen Lebenssinn vorsorglich in eine ferne Zukunft legen, die, sollte sie eines Tages Wirklichkeit werden, auf alle Fälle das Paradies auf Erden verspricht.

Lasst doch diesen Typen ihre naiven Vorstellungen!

Leider ist der Autor genau den Personen, die er in Gestalt des Posthumanisten Ray Kurzweil, des Transhumanist Nick Bostrom und des K.I. Gurus Jürgen Schmidhuber so vehement (argumentativ) bekämpft, auf den Leim gegangen und nimmt ihre Visionen und Zukunftsvorstellungen für den Beginn echter Dystopie und will oder kann anscheinend nicht bemerken, dass deren Phantasien in Wirklichkeit Utopien sind, die besser im Genre Science Fiction abheftetet werden sollten.

In der Realität, in der Precht anscheinend nicht lebt, müssen sogar wirkliche Experten – keine Fernsehwissenschaftler – zugeben, dass auch nach 20 Jahren KI-Forschung unter dem Strich nicht mehr steht, als Modelle. Modelle, die sich als beschränkt funktionierend erweisen – „KI“ ist längst Bestandteil im ökonomisch-gesellschaftlichen Raum – doch die Angst des Philosophen vor einer ethisch programmierten „KI“, die nach einfachen Kosten/Nutzen Kriterien darüber entscheidet, wer – bei „autonom“ fahrenden Autos – im Fall eines nicht zu vermeidenden Unfalls leben darf und wer nicht, sind naiv anmutende Gedankenspiele von, wie der Autor sie nennt, Kommissionsphilosophen, denen nicht anzugehören oder in deren erlauchte politische Kreise nicht eingeladen zu werden, für Richard David Precht anscheinend ein großes (Selbstwert)Problem darstellt.

Denn immerhin hat der Mann die Lösung gefunden. Der Kapitalismus ist schuld. Punkt.

Sein Essay, es ist der eines Zeitgeistphilosophen, der es prächtig versteht, Allgemeinplätze umzupacken, anders zu lackieren, um sie anschließend als neue Erkenntnisse zu vermarkten, hat viele erhobene Zeigefinger, doch kaum einen relevanten Lösungsvorschlag.

Immerhin, gut für den Autor, liegt es voll im Trend, von allem eine Meinung zu haben, die jedoch durch wenig Wissen getrübt ist.




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Veröffentlicht am 25. September 2020