Leseprobe -- Elk von Lyck -- Die Fischnetzteheorie*

5. Evolution
Das derzeit wohl größte wissenschaftliche Dogma ist die Evolution oder Abstammungslehre, deren bekannteste Form der Darwinismus ist, weniger geläufig ist der Lamarckismus. Beides sind Versuche, die Welt wissenschaftlich — vernünftig — zu erklären und müssen daher scheitern. Die Evolutionslehre ist — so wie sie heute verstanden wird — falsch. Schon das Wort Abstammung macht deutlich, wo das Problem liegt. Es beinhaltet die Vorstellung, das eine stamme vom anderen ab, es fände eine Entwicklung von A nach B statt. Eine solche Bewegungsform ist in der Natur jedoch nur eingeschränkt zu beobachten. Das Leben findet in Kreisläufen statt oder in Form sich ausbreitender und zusammenziehender Netze. Allerdings sind diese Bewegungen nur schwer erkennbar.

Ein Fluss strömt scheinbar von A nach B, von den Bergen zum Meer, damit ist seine Bewegung beendet. Bei vollständiger Betrachtung erkennt man jedoch, dass sein Wasser verdunstet, zum Himmel aufsteigt und Wolken bildet, die wiederum vom Wind zu den Bergen getrieben werden, wo das Wasser abregnet und der Flusslauf von Neuem beginnt. Es gibt aber nicht nur einen Fluss auf der Erde, sondern viele. Sie fließen — letztlich — alle in dasselbe Meer, sie sind alle Teile derselben Atmosphäre. Flüsse und Atmosphäre bilden ein gemeinsames Netzwerk, in dem jede Schwankung sich auswirkt. Wenn es in einer Region besonders viel regnet, kann dadurch in einer anderen Region eine Dürre entstehen. Diese vollständige Betrachtung aller Zusammenhänge fehlt derzeit in der Wissenschaft.

Die Grundformen Kreislauf und Netzwerk lassen sich im Makrokosmos wie im Mikrokosmos beobachten. Das Elektron bewegt sich kreisförmig um den Atomkern herum. Viele Atome bilden zusammen Moleküle, ihre Struktur entspricht einem Netzwerk. Der Mond bewegt sich kreisförmig um die Erde, die Erde kreisförmig um die Sonne. Viele Sonnensysteme bilden zusammen eine Galaxie; viele Galaxien bilden Galaxienhaufen, in ihren Strukturen ähneln sie Netzwerken. Nach allem was wir heute wissen, ist das Universum aus einem Urknall entstanden. Seitdem dehnt sich das Netz aus, bis es sich eines Tages überdehnt hat und sich wieder zusammenzieht. Weil in der Natur nichts nur ein einziges Mal geschieht, wird es danach vermutlich einen weiteren Urknall geben, das Netz wird abermals ausgeworfen und es wird sich abermals zusammenziehen.

Eines macht diese Beschreibung überdeutlich: Das Leben verfolgt nicht das Ziel einer Höher-Entwicklung. Es sind zwar Prozesse der Komplexitätssteigerung erkennbar, etwa vom Einzeller zum Mehrzeller, ebenso sind aber auch Rückbildungsprozesse feststellbar. Evolution ist somit lediglich eine Veränderung der Form, ein Ausprobieren von Möglichkeiten. Das einfachste Beispiel ist die Schlange, deren Körperform aus der Rückbildung der Extremitäten von Echsen hervorgegangen ist. Sehr anschaulich sind diese Prozesse in der Frankfurter Evolutionstheorie beschrieben, die dem tatsächlichen Sachverhalt näher kommt als Darwinismus oder Lamarckismus. Ein wesentlicher Unterschied ist, dass Lebewesen sich nicht allein an ihre Umwelt anpassen, sondern sie diese im Rahmen ihrer Fähigkeiten mitgestalten. Lebewesen sind demnach nicht nur zum passiven Handeln verurteilt, sie sind keine Opfer einer äußeren Wirklichkeit, sie sind vielmehr deren eigentliche Erzeuger.

Gegen allgemeine Höherentwicklung spricht auch die Tatsache, dass schon vor Erscheinen des Menschen viele komplexe Lebensräume wie Regenwälder einfachen Lebensräumen wie Wüsten weichen mussten. Ebenso falsch ist die Vorstellung, es würden nur hoch entwickelte Arten überleben, während niedrig entwickelte verschwinden müssten. Mammut und Säbelzahntiger auf der einen Seite und Pfeilschwanzkrebse und Quastenflosser auf der anderen Seite beweisen das Gegenteil. Die einen besaßen hoch entwickelte Fähigkeiten und brachten es nur auf eine vergleichsweise kurze Lebensdauer, wohingegen die anderen trotz ihrer Primitivität schon seit mehreren Hundert Millionen Jahren auf der Erde zu Hause sind und deshalb auch als lebende Fossilien bezeichnet werden.

Deshalb ist auch die Vorstellung vom Survival of the Fittest, vom Überleben des Bestangepassten falsch. Das Leben basiert nicht auf Fertigkeiten, also auf erlerntem oder erworbenem Verhalten, sondern auf Trieben, bei Menschen und einigen Tieren auf Gefühlen. Fertigkeiten sind gedankliche Prozesse; Gedanken wiederum sind Hilfskonstruktionen, mit denen Triebe und Gefühle zum Ausdruck gebracht werden. Von entscheidender Bedeutung ist demzufolge die Ausbildung der Trieb- oder Gefühlsstruktur. Einige sehr interessante Überlegungen zu diesem Thema hat der russische Anarchist und Publizist Pjotr Kropotkin in seinem Buch Gegenseitige Hilfe in der Tier- und Pflanzenwelt geäußert, indem er uneigennütziges Handeln zum wichtigen Faktor beim Fortbestand der Arten erhob. Es sagt viel aus über den Zustand unserer Gesellschaft, dass nahezu niemand Kropotkin und sein Hauptwerk kennt, wohingegen Darwin zwar nicht unumstritten, aber zumindest weltberühmt ist.

Ein wesentlicher Grund für die Umstrittenheit des Darwinismus besteht in seiner Betonung auf die gedanklichen, die vernünftigen Aspekte. Der Mensch ist jedoch kein vernünftiges Wesen, wie allein schon der Streit um die Evolutionstheorie beweist, der von beiden Seiten, Befürwortern und Ablehnern, sehr emotional geführt wird. Der Grund ist wiederum Angst. Wissenschaft und Religion versprechen Sicherheit. Die einen fühlen sich vor den Unvernünftigen geschützt, die anderen vor den Ungläubigen. Viele Menschen sehen sich außerdem durch das Bild des nackten Affen herabgewürdigt, sie spüren instinktiv, dass sie Wesen mit wunderbaren Fähigkeiten sind, ihr Leben einen tieferen Sinn hat und nicht nur das Ergebnis einer langen Kette von Zufällen ist. Diese Gefühle suchen nach Ausdrucksmöglichkeiten. Eine davon ist der Kreationismus, der zwar einige interessante Grundgedanken beinhaltet, jedoch durch abenteuerliche Beweisführungen zu nicht nachvollziehbaren Schlüssen gelangt.


*S. 49-51
Mit freundlicher Genehmigung des Autors

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