Felix Dirsch, Volker Münz, Thomas Wawerka (Hrsg.) -- Rechtes Christentum?

Umschlagfoto, Buchkritik, Felix Dirsch, Volker Münz, Thomas Wawerka (Hrsg.), Rechtes Christentum?, InKulturA Betrachtet man derzeit in Deutschland die Kirchen beider Konfessionen, dann reibt man sich verwundert die Augen. Der Staat, genauer gesagt Politik und Religion sollten zwei verschiedene, strikt voneinander getrennte Bereiche der Gesellschaft sein. Sieht man einmal von der Tatsache ab, dass der Staat sich durch den Einzug der Kirchensteuer mehr oder weniger direkt am Wohlergehen der Amtskirchen, sowohl der römisch-katholischen als auch der evangelischen beteiligt, so hat diese Trennung zumindest bis zum Herbst des Jahres 2015 einigermaßen funktioniert.

Vom Mitgliederschwund betroffen, der beiden Konfessionen zu schaffen macht, war die totale Grenzöffnung durch die Regierung Merkel die Gelegenheit für die Kirche, sich wieder in den Fokus gesellschaftlicher Aufmerksamkeit zu bringen. Seitdem marschiert sie nahezu geschlossen unter dem Banner des vornehmlich linken Zeitgeistes – und der heißt universaler Humanitarismus.

Gibt ein rechtes, vom Mainstream erlaubter Meinungen abweichendes Christentum? Eines, das den aktuellen politischen Ideologien wie z. B. Gender-Mainstreaming, „Ehe für alle“ und dem Import vorwiegend muslimischer Menschen, also der sog. Flüchtlingspolitik kritisch gegenübersteht? Kann es überhaupt ein rechtes Christentum geben oder ist das ein Widerspruch in sich selbst, sind Christen also per se links?

Im Ares-Verlag ist jetzt ein Buch erschienen, das sich mit dieser Frage beschäftigt. Elf Beiträge verschiedener Autoren untersuchen, wie „Der Glaube im Spannungsfeld von nationaler Identität, Populismus und Humanitätsgedanken“, so der Untertitel, zu verorten ist.

Gleich zu Beginn zieht Felix Dirsch einen großen Bogen über die „Entwicklungslinien des Rechtskatholizismus von der Französischen Revolution bis zu aktuellen Diskussionen.“ Vielleicht, so die Erkenntnis des Lesers, ist die römisch-katholische Kirche etwas resistenter gegen Modernismus und Traditionsbruch. Namen wie Joseph de Maistre, Carl Schmitt, Ottmar Spann und Martin Spahn, bis zu den gegenwärtigen, nennen wir sie vorsichtig Rechtskatholiken, Matthias Matussek, der ebenfalls einen, sehr ins Persönliche gehenden Artikel im Buch veröffentlicht hat, Alexander Kissler und Alexander Pschera - warum eigentlich nicht auch Martin Mosebach? - stehen dafür.

Es sind schwere Zeiten für diejenigen, die versuchen, sich dem Zeitgeist entgegenzustellen. Einen, man muss es aktuell so nennen, mutigen Versuch, sich kontrovers zu rotgrün besetzten Themen zu positionieren, unternimmt die Bundesvereinigung „Christen in der AfD“, die damit auf mehr als polemische, auf geradezu hasserfüllte Reaktionen seitens der offiziellen Kirche und deren „Chefs“ stoßen. Wenn sogar Kardinäle wie Woelki und Marx, weit entfernt von ihrem christlichen Auftrag, nicht nur die Mitglieder dieser Partei, sondern alle sich dem Mainstream verweigernden Menschen ausgrenzen, dann scheint die Hoffnung auf einen gemeinsamen Dialog zu schwinden.

In die gleiche Richtung zielt der Beitrag von Stefan Winkler, der sich mit dem Verhältnis von Pädagogen, von Lehrern und der AfD beschäftigt. Müßig zu betonen, auf welcher Seite des politischen Spektrums die Mehrzahl der Unterrichtenden steht. Das ist, so Winkler eigentlich auch kein Problem, wenn die in der Schule geforderte Neutralität gewahrt bleibt. Dass dem nicht immer so ist, zeigen im Internet veröffentlichte Erfahrungen von Schülerinnen und Schülern, deren „abweichende Meinung“ sie zu Außenseitern, ja sogar als mit „rechtem“ Gedankengut infiziert, und damit, sagen wir es salopp, zu nicht „satisfaktionswürdigen“ Heranwachsenden degradiert.

Es ist schlecht bestellt um eine rechte christliche Identität. Nicht nur der vom politischen Mainstream initiierte und zusätzlich von den Medien befeuerte Universalismus macht sich daran, den Begriff Identität zu dekonstruieren und ihn, zerlegt in sein Gegenteil, als Argument vornehmlich sog. rechtsextremer Kreise zu desavouieren, sondern auch eine, um es ganz deutlich zu sagen, virulent um sich umgreifende Dummheit, die, geschuldet einer seit Jahren fortschreitenden Bildungskatastrophe, keinen Zusammenhang mehr sieht zwischen den Voraussetzungen einer Gesellschaft und den Mechanismen, welche sich diese bedienen muss, um sich gegen ihren Feind - was anderes ist denn der Islamismus? - zur Wehr zu setzten.

Um es mit den Worten von Caroline Sommerfeld auszudrücken: „Von den großen Bildern bröckelt der Putz – wir müssen sie restaurieren, um sie uns wieder aneignen zu können.“ Die entscheidende Frage ist jedoch, ob wir dazu überhaupt noch fähig sind oder ob das Christentum, zumindest in Deutschland, an der aktuell praktizierten Nächstenliebe und Barmherzigkeit zugrunde gehen wird. Nichts würde dem bereits großen und stetig sich vergrößernden Personenkreis, denen diese christlichen Tugenden derzeit hauptsächlich zugutekommen, gelegener kommen. Oder etwa nicht?




Meine Bewertung:Bewertung

Veröffentlicht am 29. Dezember 2018