Buchkritik -- Rolf Stolz -- Gwalt *** Gabelbilder

Umschlagfoto  -- Rolf Stolz  --  Gwalt Mit Gwalt und Gabelbilder sind zwei neue literarische Lebenszeichen von Rolf Stolz erschienen. Gwalt ist ein kleiner Band mit Erzählungen aus Russland und Rumänien. Gabelbilder stellt Gedichte, entstanden in Rumänien, Spanien und irgendwo dazwischen vor.

Die Erzählungen, beginnend in der Zeit Stalins und tendenziell chronologisierend bis zum Beginn der Perestroika, beschreiben in nüchterner Diktion die Realitäten von Menschen, denen es nicht möglich ist, ihrem Umfeld ungestraft zu entkommen. Entgegen der kommunistischen Staatspropaganda, die in Anlehnung an Marx den Werktätigen der Welt das Paradies auf Erden versprochen hatte, steht die Tatsache, dass sich die Träger der Weltrevolution auf der Stufe derjenigen befinden, die permanent dazu gezwungen sind, um ihre nackte Existenz zu kämpfen.

Menschen verschwinden, und es wird den Angehörigen niemals klar, ob die offiziell überbrachte Todesnachricht der Wahrheit entspricht oder ob es nur ein Euphemismus für die Vernichtung eines Menschen, der in politische Ungnade gefallen ist, darstellt. Ist schon allein die Tatsache des spurlosen Verschwindens bedrückend, so wirkt die scheinbar seelenlose Apathie, mit der die Verbliebenen auf solche Nachrichten reagieren, auf den Leser schier monströs.

Wie ein grauer, zäher Nebel liegt in den Erzählungen eine Verlangsamung des Lebens auf Kosten individueller Möglichkeiten vor. Mit einem feinen Gespür für die Lebenssituationen von Menschen, die durch die Knute einer Ideologie ihrer individuellen Möglichkeiten beraubt werden, zeigt Rolf Stolz, dass alkoholisierter Sex, Neid und Missgunst die Resultat dieser nicht artgerechten Menschenhaltung ist. Je mehr der Leser an den Schicksalen dieser Existenzen Anteil nimmt, desto drängender wird für ihn die Frage, ob er selber in einer besseren ideellen Atmosphäre lebt.

Sind die Rußland-Erzählungen des Autors aus der Position eines aufmerksamen und feinfühligen Beobachters geschrieben, so sind seine Rumänien-Erzählungen als Ich-Erzähler verfasst, der ebenfalls ein Gespür für die fragile und immer gefährdete Existenz des Menschen besitzt. Beide sind, so der Klappentext des Bandes, Berichte aus den Rändern eines alten Europas, deren Vergangenheiten die Basis für eine ebenso harte und gnadenlose Gegenwart darstellen. Der Kampf ums "Besser-Leben" ist bereits der Kampf ums Überleben. Träume und Wünsche bestehen im Ausnutzen des "kleinen Vorteils". Dass dieser Vorteil auch den Verstoß gegen die gesellschaftlichen Regeln beinhaltet, ist evident. So z. B. in der Rußland-Erzählung "Das Schwein" und ihrem rumänischen Pendant "Im Schatten".

Nach der Lektüre von Gwalt beschleicht den Leser jedenfalls das unheimliche Gefühl, dass die Vergangenheiten des alten Europas in nicht all zu ferner Zukunft auch die Gegenwart des neuen Europas bestimmen könnten. Die neue Ideologie, der sich ebenfalls alles unterzuordnen hat, heißt dann eben Globalisierung.


Umschlagfoto  -- Rolf Stolz  --  Gabelbilder In Gabelbilder, einem Gedichtband, dessen Charakter in dem unverortbaren Dazwischen, in einer ruhelosen Spiegelung des Gegenwärtigem im Bild des Vergangenen und in der Möglichkeit des Zukünftigem liegt, zeigt Rolf Stolz Momentaufnahmen innerer Rastlosigkeit, die nur im Augenblick der Reflexion einen Ruhepunkt finden.

Im Rumänien-Gedicht "Guter gemachter Anfang" trifft die Vergangenheit nahezu unbewältigt auf die Gegenwart und lässt durch das Betreiben derjenigen, die daran verdienen, auch für die Zukunft nichts Besseres zu erwarten. Stillstand, resultierend aus nicht bewältigten oder falsch interpretierten Vergangenheiten, kennzeichnet die punktuellen Betrachtungen des Autors.

Rolf Stolz hat mit diesen beiden Werken wieder einmal gegen den literarischen Trend der Zeit angeschrieben. Ist schon der Band Gwalt keine Literatur für den schnellen Lesekonsum, so stellt Gabelbilder erst recht eine Herausforderung an den Leser dar. Wer jedoch dazu bereit ist, sich auf Leseerlebnisse abseits des gängigen und (ver)käuflichen Literaturbetriebs einzulassen, der findet bei diesem Autor aufregend neue Sichtweisen.




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