Buchkritik -- Roy Jacobsen -- Die Farbe der Reue

Umschlagfoto  -- Roy Jacobsen  --  Die Farbe der Reue Wie wird ein Leben durch ein unüberwindbares Zerwürfnis geprägt? Was für einen Schaden tragen die davon betroffenen Personen davon? Roy Jacobsen, einer der wichtigsten Gegenwartsautoren Norwegens beschreibt in seinem neuen Roman Die Farbe der Reue die seelischen Qualen eines Vaters, dessen Tochter bereits vor Jahren den Kontakt zu ihm vollkommen abgebrochen hat. Die Verbüßung einer langjährigen Gefängnisstrafe hat den Kontakt zwischen Marianne und ihrem Vater Hans unterbrochen. Zerstörtes Vertrauen und die Schuldzuweisungen seitens seiner Tochter verhindern, dass er nach seiner vorzeitigen Entlassung den Versuch einer Versöhnung unternimmt.

Jacobsen erzählt in eigenwillig spröden Worten und einer auch sprachlich distanzierten Weise die individuellen Verletzungen der Psyche und die wohl niemals verheilen werdenden Narben aufgrund seelischer Einsamkeit. Alle Figuren des Romans tragen schwer an den Auswirkungen von den in der Vergangenheit getroffenen Entscheidungen, die sich längst als Fehler herausgestellt haben. Die Situationen in denen sowohl Vater und Tochter als auch Arthur Almlie und seine Frau leben, sind aus eigener Kraft nicht mehr veränderbar und so scheinen alle dazu gezwungen, ihr jeweiliges Leben in zerstörerischer Einsamkeit zu verbringen.

Die selbst gewählte innere Isolation produziert eine qualvolle Sprachlosigkeit an der alle Personen leiden. Doch anstatt der Vereinzelung durch kommunikative Aktivität zu entfliehen, verharren alle in einem verzweifelten Solipsismus, der keine Verständigung mit dem Gegenüber zulässt.

Der Autor benutzt diesmal eine von ihm bislang nicht bekannte Härte in seiner Diktion, die dem Leser fremd und verstörend vorkommen muss. Das Agieren der Figuren und deren Reflexionen geschehen auf einer Ebene, die sich dem normalen Miteinander entzieht. Sie sind Einsame in einer einsamen und grauen Welt, die an sich selber leiden.

Da wird der Gefängnisaufenthalt des Vaters zu einer einzigen großen Metapher für die Abwesenheit des Nächsten und für die Destruktion menschlichen Miteinanders. Ein noch besseres Bild bieten die Flaschenschiffe des Arthur Almlie, verkleinerte Kopien der wirklichen Welt, die, umgeben von Glas, sich von der übrigen Welt distanzieren. Agnes kann zwar nach dem Tod Ihres Mannes seine Flaschen zerstören, doch er selber bleibt auch nach seinem Ableben eine für sie fremde Person. Jede Figur des Romans ist im Prinzip auf ewig in ihrer eigenen Welt gefangen.

Natürlich wissen sie um ihre Einsamkeit und leiden daran mit einer Intensität, die befremdet und zur Schaffung von Distanz zwingt. Ohne diese Reserviertheit des Lesers wäre die Unnahbarkeit der Personen unerträglich. Roy Jacobsen nimmt seine Leser diesmal mit auf eine Reise in die dunklen Abgründe der individuellen Vereinsamung. Wenn man in die einsame und leere Welt, in der Jacobsen seine Personen handeln lässt, eintaucht, dann wird klar, warum Die Farbe der Reue wieder ein Meisterstück aus der Feder dieses norwegischen Schriftstellers darstellt.




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