Buchkritik -- Philippe-Joseph Salazar -- Die Sprache des Terrors

Umschlagfoto, Buchkritik, Philippe-Joseph Salazar, Die Sprache des Terrors, InKulturA In Zeiten des Krieges erfüllt Propaganda eine wesentliche Funktion. Der Kampf der Waffen muss, will er sich legitimieren, vom Kampf der Worte begleitet werden. Seitdem der Mensch seinesgleichen - aus welchen Motiven auch immer - den Schädel spaltet, wird diese Aggression von der Sprache begleitet, kommentiert, verherrlicht und, wesentlich für das Funktionieren von Propaganda, von den Kombattanten verinnerlicht. Propaganda ist verbalisierte Ideologie, mit dem Ziel, dem Gegner den Mut, die Entschlossenheit und die Kampfkraft der eigenen Truppen zu demonstrieren. Daneben, quasi systemimmanent, hat sie aber gleichzeitig die Aufgabe, den Kämpfern das Ziel und den Grund des Krieges wieder und immer wieder zu vermitteln und dadurch eine Einheit zu schaffen, die gewillt ist, mit allen Mitteln ihr Ziel zu erreichen.

Die Propaganda bedient sich dabei einer Rhetorik, die zu untersuchen, zu interpretieren, ja die es gilt, vom erklärten Gegner überhaupt erst einmal verstanden zu werden. Denn, und das muss klar sein, auch die Gegenpartei benötigt die Hilfe der Propaganda, um ihrerseits dem Feind ein "bis hierhin und nicht weiter" zu demonstrieren.

Wir befinden uns im Krieg, so der an der Universität Kapstadt lehrende Professor für Rhetorik, Philippe-Joseph Salazar. Im Krieg mit dem IS, mit dem Kalifat. Solange es uns, den Angegriffenen nicht gelingt, dessen Rhetorik zu verstehen und darauf adäquat zu reagieren, werden wir diesen Kampf nicht gewinnen können. Auf lange Sicht, so jedenfalls die Aussage Salazars wird der Westen nicht darum herumkommen, mit dem Kalifat, wie mit jeden anderen Staat auch zu kommunizieren.

Wer verstehen will, warum der IS solch eine Anziehungskraft auch und gerade auf Jugendliche des Westens ausübt, kommt, so der Autor, mit der gängigen These von der "Radikalisierung im Internet" nicht viel weiter. Im Gegenteil, diese von den Medien und Politik gern und nach jedem Attentat in einem europäischen Land benutzte Floskel beweist nur eines, die Unkenntnis und den fehlenden politischen Willen, sich einzugestehen, dass sich Europa im Kriegszustand befindet.

Medial äußerst geschickt, bedient sich das Kalifat einer Rhetorik, die vom Westen zwar als primitiv und abscheulich bewertet wird, jedoch den Appell und die Predigt wieder in den Bereich des Politischen einführt, dem die Diskussions- und Diskurskultur des Westens nichts entgegenzusetzen versteht. Diese bildliche und rhetorische Klarheit, deren Eingängigkeit bereits vom muslimischen Glaubensbekenntnis "Ich bezeuge: Es gibt keinen anderen Gott als Allah, und ich bezeuge, dass Muhammed der Gesandte Allahs ist" demonstriert wird, zeigt, auf welcher Ebene die Propaganda des Kalifats abläuft.

So hat der intellektualisierte Westen bislang überhaupt nicht zur Kenntnis nehmen wollen, dass in der Einfachheit der Bilder und Videos, die, so Salazar, der Bürger ohnehin niemals unzensiert, d. h. mit allen grausamem Details, zu sehen bekommt, und der sie begleitenden, ebenfalls eindeutig einfachen Kommentare, ein Schlüssel zum Verständnis der Rhetorik des Kalifats liegt.

Predigt und Appell sind zwei der Schlüsselbegriffe, will man denn die Ideologie des IS verstehen. Beide verneinen die Diskussion und üben ihre Wirkung mit einer trotzdem eindringlichen Intensität aus, der der Westen aufgrund seiner verbal-stilistischen Verspieltheit nichts Wesentliches entgegenzusetzen hat. Im Gegenteil, nur allzu gern übernehmen Politik und Medien die Sprache des Kalifats und sind dabei geradezu ängstlich bemüht, auf sophistische Weise einen Unterschied zwischen islamisch und islamistisch herbei zu definieren, der an der Rhetorik des Kalifats vollkommen vorbei geht.

"Es gilt", so der Autor, "die Herrschaft über den sprachlichen Code wiederzuerlangen [...} um den Terrorismus zu benennen.". Aus diesem Grund sollte man die zum IS übergelaufenen Personen - allein aus Deutschland stellten sich 760 Büger in den Dienst des Kalifats - als das bezeichnen, was sie sind: Verräter, die zum Feind übergelaufen sind.

Salazar spricht in Bezug auf die Rhetorik des Kalifats von einer parasitären Sprache, die in dessen Begriffswelt akzeptabel ist und die vom Westen mangels eigener Rhetorik übernommen wird. So sollte anstelle "Allah" das Wort "Gott" benutzt werden, "... um die islamische Propaganda des Kalifats zu zwingen, einen anderen Begriff zu finden...". Diese Strategie muss der Westen auf alle Definitionen und Sprechweisen der parasitären Diktion des Kalifats ausweiten.

Der Westen täte gut daran, davon ist Salazar überzeugt, endlich einzugestehen, dass er sich im Krieg befindet und das entsprechende Vokabular benutzt. Denn dieser Krieg findet ebenfalls in den Köpfen statt. Solange westliche Medien und Politiker das nicht eingestehen wollen, ist es um die Verteidigung unserer Freiheit schlecht bestellt.

Philippe-Joseph Salazar hat mit "Die Sprache des Terrors" eine scharfsinnige Analyse des Rhetorik des Kalifats veröffentlicht. Dass seinen Erkenntnissen Taten seitens des von ihm stark kritisierten politisch-medialen Kartells folgt, ist jedoch leider mehr als unwahrscheinlich, sind doch seine Vorschläge viel zu weit entfernt von der bis zur Selbstzerstörung praktizierten Political Correctness




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Veröffentlicht am 10. Oktober 2016