Buchkritik -- Frank Schirrmacher -- Das Methusalemkomplott

Umschlagfoto  -- Frank Schirrmacher  --  Das Methusalemkomplott Die demographische Entwicklung ist eindeutig. Es werden zuwenig Kinder geboren und die Lebenserwartung der Menschen steigt. Das führt dazu, daß, zumindest in Westeuropa, die sozialen Sicherungssysteme, die im wesentlichen ein Generationsvertrag sind, zusammenbrechen müßen. Einer zunehmenden Zahl von Rentnern und Pensionären steht eine schwindende Zahl von neuen Beitragszahlern gegenüber. Ein Kampf um die schwindenden finanziellen Ressourcen scheint bevor zu stehen und er wird gnadenlos geführt werden.

Frank Schirrmacher zeigt in seinem Buch Das Methusalemkomplott die, aus seiner Sicht, drohenden Konflikte und eine mögliche Lösung. Nicht Ghettoisierung der Alten, sondern aktive Teilnahme am Leben. Kein sinnloses abschieben in die Endstation Altersheim, sondern Nutzung des individuellen Potentials. Der Autor, hinter dessen Zeilen eine große Angst vor dem Alt-werden steht, versucht sich und anderen einen Weg durch den sich in der Tat ankündigenden Konflikt zwischen den vielen Alten und den wenigen Jungen aufzuzeigen.

Biologisch gesehen ist es eine den natürlichen Verhältnissen widersprechende Anomalie, wenn in einer Gesellschaft diejenigen in der Mehrheit sind, deren Lebensunterhalt wie Rente und Pensionen, von den, im Verhältnis, wenigen Jungen bezahlt werden muß. Hier setzt Schirrmacher zurecht an. Wenn die Lebenserwartung steigt ist es nicht einzusehen, daß ein Berufsleben schon mit 65 Jahren enden muß. Es steckt ein ungeheures, nur auf die Abrufung wartendes Potential in der Erfahrung dieser Menschen. Leider geht der Autor nicht darauf ein, wie denn der jetzt schon vorhandene Prozeß der Verlagerung von Arbeitsplätzen in kostengünstigere Länder damit in Einklang zu bringen sein soll. Überhaupt ist die Angst, diesmal die vor dem Alt-werden, niemals ein guten Ratgeber. Schirrmacher ist gefangen zwischen der ihn lähmenden Furcht vor den nicht-mehr-gebraucht-werden und dem Bestreben, seinen zukünftigen Altersgenossen Mut für die drohende Auseinandersetzung zu machen.

Eines ist klar: Weltweit wird die Zahl der Arbeitsplätze abnehmen. Entweder durch rationellere und wirtschaftlichere Produktionsmethoden oder durch die nachlassende Kaufkraft. Das bedeutet, daß sich immer mehr Menschen um immer weniger Arbeitsplätze bemühen müßen. Gleichzeitig werden dadurch die sozialen Sicherungssysteme kollabieren und zusammenbrechen. Hier ist der eigentliche Ansatzpunkt des Generationskonfliktes zu suchen. Der bislang vom Staat erhobene Anspruch, seine Menschen im Alter durch die Rente zu versorgen, erweist sich als nicht mehr einhaltbar. Schon seit Jahrzehnten wissen die Experten, daß alle gegenteiligen Behauptungen Lügen waren. Slogans wie "Die Rente ist sicher" von Norbert Blüm liegen schon seit langem auf dem Friedhof der politischen Parolen.

Notwendig ist nichts weniger als ein gesellschaftlicher Umbruch, der den Einzelnen wieder mehr Verantwortung für ihr eigenes Leben wiedergibt. Jetzt, da die sozialen Systeme zusammenbrechen, zieht sich der Staat aus Feigheit und Perspektivlosigkeit aus der Affäre. Das geht so natürlich nicht. Hier müßte die Kritik von Schirrmacher eigentlich ansetzen. Nicht die vielen älteren Menschen sind das Problem, sondern der bislang allzu sorglose staatliche Umgang mit den finanziellen Ressourcen. Nicht die von Politikern und Managern so gerne zitierte Globalisierung der Wirtschaft ist das Problem, sondern die Verschwendung von Humankapital in Form von Wissen und Erfahrung. Welcher Personalchef stellt noch Leute ein, deren Alter über 25 Jahren liegt? Auch der Autor, immerhin Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, wird da keine Ausnahme machen.

Arbeit gibt es in unserer Gesellschaft genug. Den Willen und die Erfahrung dafür auch. Viele, sehr viele ältere Bürger und Bürgerinnen würden gern wieder Verantwortung übernehmen. Materiell abgesichert durch Rente und Pension kommt es ihnen nicht auf das Geld an. In Zeiten leeren Kassen und knapper finanzieller Ausstattung ist das doch ein treffendes Argument. Allein niemand fragt diese Menschen ob sie dazu bereit sind. Wieviele Kinder, deren Eltern nicht fähig oder nicht Willens sind, sich um ihren Nachwuchs zu kümmern, wären mehr als froh darüber, wenn ihnen jemand zuhört und sich mit ihnen zusammen um die schulischen Probleme kümmert? Wieviele Kinder wären froh darüber, anstatt auf der Straße herumzuhängen, einmal in den Zoo gehen zu können und wieviele "Alte" wären bereit, aus Sympathie zu ihren neuen, jungen Freunden, auch noch den Eintritt zu bezahlen? Die menschlichen Ressourcen sind vorhanden, aber niemand fragt sie ab. Anstelle dessen werden immer neue, politische, Programme aufgelegt, die sich mit der zunehmenden Kriminalität bei Kindern beschäftigen. Die sind jedoch nutzlos und teuer. Besser und billiger wäre der direkte menschliche Kontakt.

Solange diese Potentiale nicht genutzt werden und dadurch den Menschen, egal welchen Alters, wieder ein Wert in dieser Gesellschaft gegeben wird, nutzt auch das Wehklagen eines Frank Schirrmachers nichts.




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