Buchkritik -- Pascal Bruckner -- Der Schuldkomplex

Umschlagfoto  -- Pascal Bruckner  --  Der Schuldkomplex Europa befindet sich in einer Krise. Nicht das politische Europa, dessen Krisen bereits institutionalisiert sind, sondern das philosophische Europa und seine langjährige Geschichte. Waren sich noch vor 60 Jahren die Völker und Nationen Europas ihrer Stärken bewußt und auf ihre Fähigkeiten und hervorgebrachter Talente stolz, so zeigt das historische Pendel seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs in genau die entgegengesetzte Richtung.

Pascal Bruckner, französischer Philosoph und Publizist, legt mit seinem langen Essay Der Schuldkomplex eine treffende Analyse des aktuellen gesamteuropäischen Zustands vor. Er fragt sich verwundert, wie es geschehen konnte, daß aus kraftvollen, entwicklungsbestimmenden Nationen, deren Einfluß und Bedeutung weltweite Auswirkungen hatte, eine Versammlung von zögernden, zaudernden und hilflosen EU Mitgliedern werden konnte.

Sein Hauptaugenmerk liegt natürlich auf der Position Frankreichs und die aktuellen Probleme seines Heimatlands. Seine daraus resultierende Analysen jedoch können ohne weiteres auf die meisten Länder der EU angewandt werden. So gleichen sich die Probleme, welche die jeweiligen Länder mit dem radikalen Islamismus haben, mit denen, die der Autor für sein Land beschreibt.

Für alle europäischen Länder gilt Bruckners Feststellung, daß sie mit masochistischem Vergnügen für sämtliche auf der Welt existierenden Probleme die Schuld übernehmen. Hunger in Afrika? Verzeihung wegen der Kolonisation. Man denke jedoch darüber nach, wann die letzte europäische Kolonie unabhängig wurde und dann wird man zu dem gleichen Schluß kommen wie der Autor, daß nämlich genügend Zeit vergangen ist und ebenfalls reichlich materielle Hilfe geflossen ist, um auf eigenen Beinen stehen zu können. Will sagen, daß alle ehemaligen Kolonien genug Zeit hatten, um sich zu funktionierenden Staaten zu entwickeln. Rohstoffe sind reichlich vorhanden und die Eliten besuchten Hochschulen in Europa oder Amerika. Gründe genug also für den gelingenden Aufbau eines Staates.

Pascal Bruckner beschreibt gewohnt wortgewaltig und äußerst pointiert, die Sucht Europas, sich für alle Probleme der Welt verantwortlich zu fühlen. Daraus resultiert die paneuropäische Überzeugung, daß man von der ganzen Welt gehasst wird. Diese Selbstzweifel werden natürlich aufmerksam von denen verfolgt, die daraus Kapital schlagen wollen. Genußvoll zeigt dies der Autor am Beispiel des Sklavenhandels. Natürlich gab es dieses dunkle Kapitel in der Geschichte der Menschheit, ausgeübt von europäischen Staaten. Doch es gab und gibt den Sklavenhandel noch heute unter islamischer Ägide - darüber schweigt die Welt.

Europa ist in nahezu allen Bereichen schwach geworden. Es ist dabei sein kulturelles Erbe zu verspielen. Junge, kraftvolle und vor allem geburtenstarke Völker rücken in dieses Vakuum vor. Eine gesamteuropäische Linke und deren verwandte Milieus haben diesen Kontinent zum Abschuß freigegeben.

Es geht Bruckner nicht um die Relativierung der historischen Verfehlungen Europas. Jede Nation hat mehr oder weniger Schuld auf sich geladen. Die Einsicht jedoch in diese Schuld und das Bestreben sie auf vielfältige Weise zu tilgen ist eine europäische Leistung, die ihresgleichen sucht.

Dieser umfangreiche Essay, dessen Untertitel Vom Nutzen und Nachteil der Geschichte für Europa in Inhalt und Form stark an Nietzsche und dessen "Unzeitgemäße Betrachtungen" Vom Nutzen und Nachteil der Historie für das Leben erinnert, soll eine Warnung, vielleicht die letzte ihrer Art darstellen. Noch scheint es möglich dem Ruder eine andere Richtung zu geben, die politische und demographische Entwicklung verändern zu können. Mit jedem Tag, mit jeder weiteren Landbesetzung durch Immigration wird dies schwerer.




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