Sokrates, Xanthippe und der Schierlingsbecher, wer kennt sie nicht ? In der Schule kurz besprochen, danach vom Alltagswissen überlagert und nur noch sporadisch an der Oberfläche des Allgemeinwissens erscheinend. Doch wer war Sokrates und wofür steht sein Name? Zum Tode verurteilt wegen Gotteslästerung (Einführung neuer Götter) und Verführung der Jugend, starb er durch den Schierlingsbecher. Warum war dieser Sokrates damals und auch noch heute eine Bedrohung?

Das menschliche Zusammenleben besteht in erster Linie aus mehr oder weniger festen Handlungs -und Denkabläufen. Einerseits geben sie dem Leben einen gewissen Stabilitätsgrad, denn wir müssen nicht jede Handlung neu ausprobieren, andererseits sind sie eine Erschwernis wenn es darum geht, neue Problemlösungen zu finden. Gegen diese vermeintlichen Sicherheiten richtete sich das philosophieren von Sokrates.

Die scheinbar in sich selbst ruhende Existenz wurde ihm zum Problem. Er begann zu fragen und stellte die Moral und die daraus resultierenden Handlungen zur Diskussion. Auf seine bohrenden Fragen wußte kaum jemand eine richtige Antwort. Es stellte sich heraus, das die Existenz nicht bewußt gelebt wurde, sondern kritiklos bestehende Normen übernommen wurden. In einem kleinen Staatsgebilde wie der griechischen Polis konnte so ein Mann wie Sokrates den öffentlichen Betrieb empfindlich stören. Kein Wunder, das er unter Anklage gestellt und verurteilt wurde.

Doch mit dem Tod des Sokrates war das Problem nicht aus der Welt geschafft. Jeder der versucht ein System zu hinterfragen, gleichsam in Frage zu stellen, ist schon ein Sandkorn in der großen Maschinerie, die wir allgemein als Gesellschaft bezeichnen. Vermeintliche Sicherheiten alltäglicher Abläufe, politische Endscheidungsfindungen, moralische Normen, zwischenmenschliches Zusammenleben, all das passiert in der Regel ohne bewußte Fragen nach dem warum.

In der Zeit von Sokrates stellten diese Fragen schon eine Provokation für die Gesellschaft dar, wieviel mehr noch in unserer Zeit, in der anscheinend alles durch den Trend und dubiose Meinungsmacher vorgegeben ist? Die menschliche, allzumenschliche Sorge aus dem Rahmen zu fallen, sich bewußt gegen die Masse zu wenden, sorgt dafür, daß die wichtigen Entscheidungen immer anderen überlassen werden. Nicht immer zum Wohl der einzelnen.

Seit langem haben es profitorientierte "Querdenker" geschafft, das Meinungsruder in der Hand zu halten, um allen vorzugaukeln, wie "man" leben müsse. Diese Trendmenschen haben, obwohl sie auf den ersten Blick doch die sokratische Fähigkeit zum fragen besitzen, keine der Qualitäten, welche den griechischen Philosophen auszeichneten. Sein Satz: "Ich weiß, das ich nichts weiß", war die eigentliche Maxime seines philosophierens.

In Gegensatz zu ihm sind in unserer Zeit leider reichlich vorhandene selbsternannte Meinungsmacher ausschließlich daran interessiert ihr jeweiliges "Produkt" zu verkaufen um sich selbst materiell zu bereichern. Die Suche nach der Wahrheit bleibt dabei leider auf der Strecke. All jene, die aus oben genannten Gründen die von anderen gesetzten Trends mitmachen, degradieren sich selber zu "Kontofüllern" des jeweiligen Trendpapstes. Ist dieser nicht mehr modern, so wird einem anderen gefolgt; bloß nicht durch eigenes Denken und Handeln auffallen.

Diesem "aus der Rolle fallen" hatte sich Sokrates und haben sich alle seine Nachfolger verschrieben. Durch eigenes Denken stellen sie sich dem Gesellschaftsgetriebe in den Weg und fragen nach dem Warum und Weshalb. Die Antworten, die dabei zu hören sind, zeigen sich oftmals als Repliken von Menschen, die durch kein Wissen vorbelastet sind, die selber nur das nachbeten, was andere vor ihnen schon gesagt haben.

Gerade in der heutigen Zeit scheinbarer Individualität, die sich doch nur durch ständig wechselnde Trendsportarten auszeichnet, ist es wichtig, das so viele Menschen wie möglich ihr Recht zu denken in Anspruch nehmen und es nicht anderen überlassen.

Stellen Sie sich doch einmal vor, was wäre, wenn das eigene Denken mal wieder zum Trend würde...