Buchkritik -- Reinhard K. Sprenger -- Das anständige Unternehmen

Umschlagfoto, Reinhard K. Sprenger, Das anständige Unternehmen , InKulturA Es gibt Begriffe, die, verwendet sie ein Autor im Titel seines Buches, den aufmerksamen und kritischen Beobachter des aktuellen Zeitgeistes neugierig machen. Eine dieser Vokabeln, die anscheinend flächendeckend aus der Mode gekommen ist, ist das Wort Anstand. In seinem Buch "Das anständige Unternehmen" unterzieht Reinhard Sprenger die in vielen Unternehmen praktizierte Totalinklusion der Mitarbeiter einer herben und spitzfedrigen Kritik.

Konzerne, zunehmend aber auch mittelständische Unternehmen betrachten sich gern in der Rolle von sinngebenden Erziehungsanstalten und greifen damit tief in die Autonomie und Individualität ihrer Mitarbeiter ein. Die nach außen gerichtet und dem Unternehmen ein einheitliches Erscheinungsbild gebende Corporate Identity wird, folgt man denn der Argumentation, dass mit der CI dem Unternehmen eine menschenähnliche Persönlichkeit zugesprochen wird, ebenso nach innen transportiert und den Angestellten quasi der Status, wie Sprenger es nennt, von Kindern verliehen, die erst durch das Übernehmen der Firmenkultur zu vollwertigen Mitarbeiter werden.

Gegen diesen uneingeschränkten Zugriff auf die Persönlichkeit der Angestellten zieht der Autor zu Felde. So bezieht sich der Titel des Buches dann auch nicht den ehrbaren Kaufmann, der einen korrekten und ehrlichen Umgang mit seinen Kunden pflegt, sondern er zielt direkt auf das Herz eines nach Erfolg strebenden Unternehmens - die Mitarbeiter. Anstand bedeutet für Reinhard Sprenger vor allem zwischenmenschliche Distanz. Er stellt die Frage, wie ein Unternehmen hinsichtlich seiner Angestellten zu agieren hat, will es dauerhaft erfolgreich am Markt bestehen können.

Menschen verbringen einen großen Teil ihres Lebens am Arbeitsplatz. Deshalb sind dessen Gestaltung, dessen Anforderungen, vor allem aber die Fragen "Wie werde ich als Mitarbeiter wahrgenommen" und "Wie erfahre ich Kollegen und Vorgesetzte?" von nicht zu unterschätzender Bedeutung.

Motivationstrainung, so die Zauberformel vieler Unternehmen, betrieben von externen "Fachleuten", soll Mitarbeiter zu höherer Leistung, besserer Kommunikation, kurz, dem Betrieb zu besseren Umsätzen verhelfen und ist doch, so jedenfalls Reinhard Sprenger, ein Kennzeichen falscher Firmenpolitik. Fehlt die Transparenz, die Nachvollziehbarkeit von Entscheidungen und werden die Mitarbeiter dazu auch noch von menschlich ungeschickt agierenden Vorgesetzten geführt, so folgt unausweichlich der Weg zur inneren Kündigung und zum Dienst nach Vorschrift. Konformitätsdruck und Überwachung sind die Feinde unternehmerischen Erfolgs. Wer am Markt bestehen will, der braucht selbständig agierende Mitarbeiter, die wissen, dass ihre Arbeitskraft und ihre Kreativität gewürdigt werden.

Reinhard Sprenger dürfte mit seinem Buch "Das anständige Unternehmen" zweifelsohne einen Nerv treffen, betreibt er doch Managementkritik aus der Perspektive der wichtigsten Ressource eines Betriebes - die Angestellten. Mit ihnen und mit einer guten mittleren und oberen Firmenführung wird ein Unternehmen seine Position am Markt halten und ausbauen können. Der Autor weiß, worüber er spricht, besitzt er doch Einblicke in die großen Unternehmen der Republik und weiß um deren inneren Abläufe.

Kontrollwut, Manipulation und Instrumentalisierung, die immer häufiger vom Unternehmen erwartete jederzeitige - in der Freizeit und im Urlaub - Verfügbarkeit des Mitarbeiters gehört ebenfalls dazu, sind für den Autor eine "institutionelle Demütigung des arbeitenden Menschen" und damit einfach - unanständig.

Doch über den unternehmerischen Erfolg am Markt hinaus besitzt die "anständige Führung" ebenfalls gesellschaftspolitischen Charakter, denn die Qualität des Berufs(er)lebens spielt direkt hinein in die Privatsphäre und damit ist, so Sprenger, anständige Führung durchaus systemrelevant. An wen richtet sich das Buch? An alle, die, so der Autor, Würde nicht nur im Konjunktiv benutzen.




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Veröffentlicht am 28. Oktober 2015