Buchkritik -- Hubert Stuppner -- Ich, der unbekannte Sohn Gustav Mahlers

Umschlagfoto, Buchkritik, Hubert Stuppner, Ich, der unbekannte Sohn Gustav Mahlers, InKulturA Das Gerücht, ein vermeintlich unehelicher Nachkomme einer berühmten Persönlichkeit zu sein, egal ob Politiker oder Künstler, sorgt stets für Wirbel im Blätterwald und Aufregung in Fachkreisen. Das Auftauchen eines angeblichen von Gustav Mahler mit Marianne Ehrbar, eine Tochter aus der Klavierfabrikanten-Dynastie der Ehrbars, gezeugten Sohns, Johannes Gall, macht da keine Ausnahme.

Bereits Mitte der 80er Jahre gab es diese Vermutung und als 2013 ein ehemaliger Wiener Straßenbahnbeamter öffentlich äußerte, dass sein Vater, besagter Johannes Gall, selber Musiker und Organist, der uneheliche Sohn des Komponisten sei und er als dessen angeblicher Enkel zu gelten habe, sorgte das für nicht wenig Aufsehen.

Der Südtiroler Komponist und Musikwissenschaftler Hubert Stuppner ist dieser Fama in seinem Buch „Ich, der unbekannte Sohn Gustav Mahlers“ nachgegangen und zeichnet gleichzeitig ein fulminantes Gemälde Wiens, „Stadt der Claviere“, nach dem Ende der Belle Époque, auf dem drei Figuren, das Wiener Klavier, die Klavierbauer-Dynastie der Ehrbars und Gustav Mahler den Mittelpunkt bilden.

Obwohl der vermeintliche Enkel Mahlers mit Belegen, die, so der Autor „sehr verfänglich waren“ aufwarten konnte und zudem auf einer Ausstellung in Enzenreith (Österreich) die Existenz eines Sohnes aus der Affäre von Gustav Mahler mit Marianne Ehrbar als bewiesen behauptet wurde, bleibt Hubert Stuppner skeptisch und verschafft sich, mithilfe des schier unerschöpflichen Wissens seines Kritikerfreundes Süßmayr-Castelli, weitere Hintergrundinformationen.

Obwohl immer die Recherchen bezüglich der Frage eines möglichen unehelichen Nachkommen Mahler im Mittelpunkt des Buches stehen, eröffnet sich doch schnell ein zweiter Fokus, der das „Wiener Klavier“, den Konkurrenzkampf der verschiedenen Klavierbauerfirmen, deren technische Innovationen und weltweiten Verkaufserfolge beschreibt und der nicht zuletzt das Psychogramm einer Gesellschaft abbildet, die sich, wie Stuppner es ausdrückt, vom Klavier als „Sprachrohr des musikalisch Dionysischen“ und den daran spielenden, besser ausgedrückt, schwer arbeitenden Virtuosen, zu emotionalen Ausbrüchen – die Herren begeistert, die Damen verzückt – bezaubern ließ.

Natürlich, eine DNA-Analyse bringt den letztendlichen Beweis, war Johannes Gall nicht der uneheliche Sohn aus der freundschaftliche Beziehung zwischen Gustav Mahler und Marianne Ehrbar und bleibt somit eine eher tragische Figur, die, so das Fazit des Autors, „eine Identität eines Höheren herbeizuschaffen versucht, um sich wichtig zu machen. Denn sein Talent reichte nicht zu einer internationalen Karriere und zur großen Berühmtheit – die er aber sehr wohl beanspruchte als ein Nachfahre Mahlers.“

„Ich, der unbekannte Sohn Gustav Mahlers“ ist nicht nur für musikbegeisterte Leser eine spannende Lektüre, denn der Autor versteht es meisterhaft, sowohl historische Fakten als auch den damaligen Zeitgeist in einem stimmigen Buch darzustellen.




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Veröffentlicht am 19. Januar 2020