Buchkritik -- Bianca Bellová -- Toter Mann

Umschlagfoto, Bianca Bellová, Toter Mann, InKulturA Eine nicht mehr junge Frau unternimmt einen Rückblick auf ihr bisheriges Leben und zieht eine mal sarkastische, mal eruptiv verzweifelte Bilanz. Aufgewachsen in den 1970er- und 1980er-Jahren der Tschechoslowakei bietet sie einen Eindruck davon, wie sie war, die nicht so gute alte Zeit unter der kommunistischen Diktatur und den daraus resultierenden familiären Verwerfungen.

Es ist eine sehr persönliche Geschichte, die dem Leser dargeboten wird. Der Großvater fiel der herrschenden politischen Linie zum Opfer und die Großmutter, die für die eigentliche Erziehung der Erzählerin und ihres Bruders verantwortlich zeichnete, war fortan eine mehr oder weniger offene Gegnerin des Regimes.

Es war keine unter normalen Maßstäben zu verstehende Kindheit, die die Protagonistin einem dem Leser lange Zeit unbekannten Gegenüber schildert. Der Bruder leidet unter den Spätfolgen einer sich in der Kindheit zugezogenen Krankheit. Die Mutter betritt sukzessive der Reich geistiger Verwirrung und der Vater erlebt ein spätes Coming-out und verlässt seine Familie.

Mal schnodderig, mal deprimiert, mal lakonisch berichtet die Frau über ihr Leben, das mit Ausnahme der großmütterlichen Erziehungsinterventionen, wenig Liebe und Geborgenheit aufzuweisen hatte.

Der Leser wird Zeuge des immer öfter stattfindenden Gefühlsumschwungs der Erzählerin. Hinter den Sätzen aus Ironie und Selbsterhaltung schwebt immer die Trauer über ein verloren geglaubtes Leben. Auch die fast sadomasochistische Beziehung zu einem Mann führt zu nichts weiter als emotionaler Leere, die durch Wut und Anklagen kaschiert wird.

"Toter Mann" von Bianca Bellová spielt geschickt mit der gesamten Palette emotionaler Ausbrüche der Protagonistin, die, immer gradwandernd zwischen expressiver Heiterkeit und bodenlosem Seelenschmerz, den Leser zum Zeugen tiefer emotionaler Verzweiflung macht.

Und doch, die Frau beweist Stärke und Willenskraft und sie stellt sich letztendlich, als sich alle bislang losen Fäden der Handlung zu einem logischen Konstrukt verdichten, als die eigentliche Gewinnerin dar.




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Veröffentlicht am 9. August 2014