Buchkritik -- Ilja Trojanow -- Macht und Widerstand

Umschlagfoto, Ilja Trojanow, Macht und Widerstand, InKulturA Ist eine Diktatur niedergeworfen, beginnt die Aufarbeitung der Vergangenheit. Opfer und Täter ziehen ein Resümee. Mal, wie erstere, öffentlich, im Fall der ehemaligen Nomenklatura, Sympathisanten und Mitläufer, wenn überhaupt, wohl eher im Verborgenen. Nach dem Fall des Eisernen Vorhangs und dem Ende des Kalten Krieges wehte scheinbar der Wind der Freiheit durch die ehemaligen Länder des Ostblocks und Hoffnung auf Veränderung weckte seitens der Opfer den Wunsch nach eigener Rehabilitation und Bestrafung der Täter. Doch, der Lauf der Geschichte bewies das einmal mehr, die Verlierer von damals waren auch die Verlierer von heute.

"Macht und Widerstand" von Ilja Trojanow ist die Geschichte zweier Männer, die im bulgarischen Sozialismus lebten und nach der Wende ihre jeweilige Lebensgeschichte Revue passieren lassen. Konstantin, wegen seiner anarchistischen Umtriebe bereits früh mit der Staatsmacht in Konflikt geraten, verbringt viele Jahre im Gefängnis. Dort wird er, wie andere Gefangene auch, gefoltert und gedemütigt. Sein Gegenspieler Metodi, seit seiner Jugend mit dem diktatorischen System verbunden, steigt in der Hierarchie auf und bekleidet kurz vor dem Ende des Systems einen hohen Posten.

Die politische Wende war seitens Konstantin mit großen Hoffnungen auf eine wirkliche Veränderung des Staates verbunden. Sein Glaube daran wurde jedoch durch die gesellschaftliche und politische Realität zerstört. Während es den Mitgliedern der ehemaligen Führungsschicht gelang, sich Firmen im jetzt kapitalistischen Wirtschaftssystem und Posten in der neuen Regierung zu sichern, wollte kaum jemand in der bulgarischen Gesellschaft sich mit dem Schicksal der ehemals Verfolgten auseinandersetzen.

Trojanow erzählt von der Tragik, die jeder Mensch erfährt, erhofft er nach einer politischen Wende Freiheit, Veränderung und Bestrafung der Täter. Während die ehemaligen Schergen des Systems aufgrund der bestehenden Netzwerke ihre Macht und ihre Positionen aufrecht erhalten können, werden die Opfer, da diese permanent an das gesellschaftlich-politische Versagen eines ganzen Volkes erinnern, sukzessive aus dem kollektiven Gedächtnis gestrichen.

So verwundert es nicht, dass sich Konstantin dem angeblich besseren, weil scheinbar freierem System nicht anpassen will und immer wieder auf seine eigene Geschichte verweist. Genau das jedoch macht ihn im Lauf der Handlung, die immer begleitet von persönlichen Rekursen auf die Diktatur des Sozialismus, zu einer tragischen Figur.

Verblendet von den "Segnungen" und bunten Versprechen des Kapitalismus, wirkt er für seine Zeitgenossen wie ein in der Vergangenheit steckengebliebener Anachronismus, der aufgrund seiner immer verbissener werdenden Bemühungen ehemalige Spitzel und Informanten zu enttarnen, mehr und mehr von der Gesellschaft, aber auch von seinen Freunden, die teilweise die gleichen Erfahrungen machen mussten wie Konstantin, ausgegrenzt wird.

Resignierend muss er feststellen, dass seine Peiniger auch im neuen System so fest im Sattel sitzen, dass sie darüber befinden können, wessen Akten auf immer im Archiv verschwinden müssen. "Macht und Widerstand" ist ein beklemmender Roman, der kaum Optimismus in Bezug auf eine grundlegende Veränderung politischer Systeme zulässt. In der Regel, und das beschreibt Trojanow mit realistischer Einschätzung, sind, mit wenigen Ausnahmen, die alten Machthaber auch die neuen.




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Veröffentlicht am 29. Dezember 2015