Buchkritik -- Patrick Tschan -- Eine Reise später

Umschlagfoto, Patrick Tschan  --  Eine Reise später, InKulturA Wessen Lebenszeit das halbe Jahrhundert erreicht oder überschritten hat, der wird, ob er will oder nicht, eine Bilanz ziehen müssen über seinen bisherigen Lebensweg. Dazu gehört natürlich in erster Linie die Frage nach den Beziehungen zu anderen Menschen und hier besonders die Erinnerung an die einstmals nahestehenden und die Emotionen immer noch aufwühlenden Personen.

Auch Schmied wird eines Tages von seiner Vergangenheit eingeholt, als er in der Stimme einer Ansagerin der Bahn seine Jugendliebe Astrid wiedererkennt. In dem Moment beginnt für ihn eine Reise in die eigene Lebensgeschichte, die lange Zeit und mit wiederholter Beziehungsaufnahme auch die von Astrid gewesen ist.

Vor Schmieds innerem Auge taucht die Phase seines Lebens wieder auf, die er in engem Kontakt zu seiner Jugendliebe verbracht hat, aber auch die jeweils schmerzhaften Trennungen, die auf beiden Seiten zu Verletzungen führten, die, Schmied bemerkt es verwundert, noch immer nicht überwunden oder verarbeitet sind.

"Was wäre wenn...", so beginnen die Überlegungen eines des Protagonisten in Patrick Tschans wunderbar heiter-melancholischem Roman "Eine Reise später" und enden vorerst in der Wiederholung einer ehemals gemeinsamen Reise von Astrid und Schmied durch Frankreich. Beide unternehmen das Wagnis, erneut auf den Spuren einer verliebten Vergangenheit zu wandeln.

Dreißig Jahre, so lange haben sie sich aus den Augen verloren, ziehen an einem Menschen nicht vorbei, ohne Spuren zu hinterlassen. Einstmals mit jugendlich scheinbar endgültig daherkommender Entschlossenheit vertretene Positionen, Meinungen und Attitüden sind längst von Leben geschliffen worden und - Schmied und Astrid sind beide über fünfzig Jahre alt - einer eher gelassenen Haltung gewichen. Wenn da nicht doch noch Dinge wären, über die in der Vergangenheit nicht gesprochen wurde und die immer noch unter der Oberfläche des Bewußtseins schlummern, nur darauf wartend, endlich ans Licht des Tage geholt zu werden.

So wird dann auch die gemeinsame Reise zu einer erneuten Beschäftigung mit der Vergangenheit und hauptsächlich Schmied muss erkennen, dass auch eine zeitliche Distanz von dreißig Jahre nicht ausgereicht hat, um ehemals ungelöste Konflikte zu verarbeiten.

"Eine Reise später" ist ein Roman, der vor den Augen des Lesers, gerade wenn der sich im Alter der beiden Protagonisten befindet, ebenfalls eine ganze Reihe von Erinnerungen, positiv und negativ, wecken dürfte, die mit der ersten großen Liebe einher gegangen sind.




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Veröffentlicht am 11. Oktober 2015