Buchkritik -- Timur Vermes -- Er ist wieder da

Umschlagfoto, Buchkritik, Timur Vermes, Er ist wieder da Er ist wieder da, dieser Hitler. Der Mann, der sich wie kaum ein anderer deutscher Politiker darauf verstand, die gesellschaftlichen und politischen Zustände seiner Zeit messerscharf zu analysieren und der darum wusste, wie man die Masse des Volkes beeindrucken und manipulieren konnte. Im Sommer 2011 taucht er plötzlich wieder auf. Seit 1945 nicht um ein Jahr gealtert, findet er sich in einem Deutschland wieder, dass ihn aufgrund einer in Dekadenz versinkenden Gesellschaft geradezu einlädt, sich Gedanken über Veränderung dieses Zustands zu machen.

"Er ist wieder da" aus der Feder von Timur Vermes stellt dem Leser einen mit herbem Charme und Eloquenz ausgestatteten Hitler vor, der, ja man muss es einfach zugeben, dem Leser während der Lektüre immer sympathischer wird.

Hitler ist ein genauer Beobachter dessen, was so gern als Zeitgeist beschrieben wird und demaskiert dadurch die politische Korrektheit dieser Tage eher als Ausdruck mentaler Verwahrlosung denn als sinn- und identitätsbildende gesellschaftliche Kraft. Wunderbar zynisch seine Bemerkungen bezüglich die Scheiße ihrer Hunde aufsammelnden Frau, als "... wohl sterilisiert", da sie den Hinterlassenschaften ihrer Tiere mehr Aufmerksamkeit widmen, als ihrer biologischen Funktion als Frau.

Dieser Hitler spielt virtuos - wieder einmal - auf der Klaviatur der gesellschaftlichen und politischen Defizite Deutschlands. Von einem Privatsender ins Fernsehen gebracht, benutzt Hitler dieses Medium als Plattform für seine Reden. Eigentlich als "Running Gag" in einer Comedyshow vorgesehen, entwickelt er sich durch seine immer größere werdende Akzeptanz beim Publikum als "Quotenkönig". Der Versuch der BILD-Zeitung ihn in einer Kampagne medial hinzurichten, schlägt in das genaue Gegenteil um und die Boulevardpresse, aber auch die angeblich seriösen Blätter erklären ihn zu ihrem "Liebling". Kein Wunder, dass Hitler die Gleichschaltung der Medien daraufhin erst einmal vertagt...

Dieser Hitler ist so ganz anders, als es den Deutschen seit Jahren durch das Fernsehen "bewiesen" wird. Zwar kennen wir alle inzwischen zur Genüge Hitlers Hunde, Hitlers Sekretärinnen, Hitlers Friseur, Hitlers Arzt, usw. usw. usw., doch warum dieser Mann so einen großen und letztendlich verheerenden Einfluß auf die Bürger seiner Zeit hatte, bleibt, zumindest für die "offiziellen Erklärer", ein Rätsel. Alle Versuche, das Phänomen Hitler damit zu erklären, dass die Deutschen eben "Idioten" gewesen sind, greift zu kurz. Das betont auch Timur Vermes in einem Interview mit der Süddeutschen Zeitung. Allen, die heutzutage der Meinung sind, sich aufgrund ihres historischen Wissens nicht mehr von Demagogen in die Falle locken zu lassen, entgegnet er "So schlau wie wir waren die damals aber auch schon". Das hat gesessen! Ein aktueller kritischer Blick genügt und schon sieht der unvoreingenommene Betrachter zahlreiche politische Verführer ihr Unwesen treiben - und kann ebenfalls feststellen, dass ihnen wieder zahlreiche "dressierte Meerschweinchen" folgen.

Dieser Hitler weiß, wie er sein Publikum begeistern kann. In der Ich-Form monologisierend - herrlich persiflierte Diktion der "Tischgespräche" - trifft er die wunden Punkte der Gesellschaft. Ein durch pseudoreale Dokusoaps mehr und mehr verdummendes HartzIV Prekariat, das mit Hilfe staatlicher Finanztransfers ruhig gestellt wird. Eine mondäne Oberklasse, die anlässlich des Münchener Oktoberfests ihre eigene Nutzlosigkeit demonstriert, Politschwätzer - Merkel als Obermatrone der Republik - und anderes nutzloses B- und C-Promimentenpack haben die Republik fest im Griff. Na, die alle haben nicht mit Hitler gerechnet!

Die Lektüre dieses wunderbar geschriebenen Buches bringt dem Leser oft zu einem schallenden Lachen. Der Besuch Hitlers in der NPD-Zentrale entlarvt die Anhänger dieser Partei als Vollpfosten und deren Verweis auf Zwickau kontert Hitler mit den Worten "Was soll mit Zwickau sein? Was hat das mit Terror zu tun? Wovor soll man da Angst haben? Dass diese mentalen Rohrkrepierer überhaupt existieren, hat man ja erst daran gemerkt, dass sich zwei von diesen Dümmlingen selbst umgebracht haben." Renate Künast von den Grünen wird von Hitler im Fernsehstudio vorgeführt und der Zuschauer Zeuge davon, welche geistige Nähe deren Partei zur ehemaligen NSDAP aufweist.

Vollends absurd wird die Situation, als Hitler nach einem Überfall von sog. Neo-Nazis im Krankenhaus liegt und er von allen Partei das Angebot einer Mitgliedschaft erhält. Merke, wer von "Rechten" zusammengeschlagen wird, ist politisch geadelt, ist aufgenommen in den Kreis der "aufrechten Demokraten". Was für ein Zynismus, was für eine gnadenlose Satire aus der Feder von Timur Vermes.

Dieses Buch soll ein "Wehret den Anfängen" Gejammer sein? Nie und nimmer! Es ist für mich Gesellschaftskritik pur. Da hat der Autor seiner Verärgerung über das System freien Lauf gelassen und nur diejenigen, denen es nicht vergönnt ist, hinter den Zeilen zu lesen, die bereits von Virus der politischen Korrektheit befallen sind, mögen "Er ist wieder da" als politische Warnung verstehen. Die anderen wissen es zum Glück besser.




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